Astronomie:Der Traum von der Ruhe hinter dem Mond

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Der Blick in den Himmel wird von den Einflüssen der Zivilisation getrübt. Deshalb schauen neue Teleskope von den entlegensten Orten aus in den Weltraum.

Thomas Bührke

Astronomen lieben entlegene Orte. Die Zivilisation mit ihrem Licht, ihrem Schmutz und ihren Vibrationen kann ihnen gar nicht weit genug entfernt sein.

Keine flirrende Luft, keine Handymasten und absolute Ruhe: Astronomen träumen von einem Observatorium auf der dunklen Seite des Mondes, im Jahr 2007 fotografiert während der Selene-Mission der japanischen Sonde Kaguya. (Foto: Foto: Jaxa)

Denn nur wo die Luft klar ist, der Boden nicht erschüttert wird und wo kein fremdes Licht stört, ist der Blick in den Himmel ungetrübt. Hohe Berge und eine trockene, windstille Luft sind begehrt.

Darum hat jetzt hat eine internationale Forschergruppe um Lifan Wang von der Texas A&M University den entlegensten Flecken auf der Erde erobert und eine vollautomatisch arbeitende Station errichtet: das Plateau Observatory, kurz Plato, auf Dom Argus, dem höchsten Berg in der Antarktis.

Gleichzeitig träumen amerikanische Radioastronomen von einem noch entlegeneren Standpunkt: der Rückseite des Mondes.

Vorteile und Probleme

Die Südpolregion ist für Astronomen in mancherlei Hinsicht ein idealer Standort. In der antarktischen Nacht lassen sich Himmelskörper ein halbes Jahr lang ununterbrochen beobachten. Das ist sonst nur vom Weltraum aus möglich.

Außerdem enthält die Atmosphäre an keinem anderen Ort auf der Welt so wenig Wasserdampf, sodass die Astronomen mit ihren Beobachtungen in den infraroten Wellenlängenbereich vordringen können. Das ist zum Beispiel entscheidend, um junge Sterne zu beobachten, die im Inneren dichter Staubwolken entstehen.

Doch der antarktische Kontinent ist wegen seiner extremen klimatischen Bedingungen kaum erschlossen und trotzt den Forschern einiges an Einsatzbereitschaft ab. Hinzu kommt ein weiteres Problem: heftige Fallwinde, die auf den Hochplateaus entstehen und von dort aus in Richtung Küste wehen. Sie sorgen für die berüchtigten Stürme, denen schon das Expeditionsteam um Robert Scott 1912 zum Opfer gefallen ist.

Diese Winde verursachen eine starke Luftunruhe, die Astronomen gar nicht schätzen. Nur auf den hohen Bergen ist die Luft so ruhig, dass dort die vielleicht weltweit besten Beobachtungsbedingungen herrschen.

Diese Widrigkeiten haben eine florierende astronomische Forschung in der Antarktis bislang verhindert. Seit Mitte der 1990er-Jahre wurden kleinere Teleskope zur Beobachtung der kosmischen Hintergrundstrahlung sowie für den Infrarotbereich betrieben. Die meisten in der Umgebung der amerikanischen Amundsen-Scott-Station.

Da die Beobachtungsbedingungen dort insbesondere auch wegen der Fallwinde nicht ideal sind, war eine Astronomengruppe um Lifan Wang zu Beginn dieses Jahres, also im antarktischen Sommer, aufgebrochen, um ein Observatorium an einem der entlegensten Orte der Erde zu gründen: dem Dom A, auch Dom Argus genannt. Er befindet sich tief im Innern des antarktischen Kontinents auf einem 4200 Meter hohen Berg. Hier herrschen vermutlich ideale Bedingungen; genau weiß das allerdings niemand, weil es dort bislang keinerlei Messungen gibt.

Fast drei Wochen benötigte das Team, um 1300 Kilometer durch Schnee und Eis von der Küste bis zu Dom A zurückzulegen, wo es das sieben Tonnen schwere Plateau Observatory errichtete. Es besteht aus sieben kleinen Teleskopen, deren Spiegel Durchmesser von bis zu 14,5Zentimetern besitzen. Elf Monate lang soll Plato vollautomatisch arbeiten. Während des antarktischen Tages bezieht es seine Energie aus Solarzellen, in der Polarnacht sorgt ein Diesel-Generator, für den die Forscher 4000 Liter Treibstoff mitgeschleppt haben, für den nötigen Strom.

Plato am Südpol

Mit den Teleskopen können die Astronomen den großen Observatorien in Chile oder auf Hawaii keine Konkurrenz machen.

Doch Plato kann ein halbes Jahr lang ununterbrochen nach Sternen suchen, die ihre Helligkeit verändern. Eine mögliche Ursache für solche Variationen können unsichtbare Planeten sein, die bei dem Umlauf um ihren Zentralstern vor ihm vorbeiziehen und sein Licht dabei jeweils ein wenig abschwächen. Die Daten schickt Plato über das Iridium-Satellitennetz an die Forscher.

Plato muss knapp ein Jahr lang den extremen Wetterbedingungen mit Temperaturen bis zu minus 90 Grad Celsius standhalten. Dann werden die Astronomen wieder nach dem rechten schauen. In den kommenden Jahren will China 25 Millionen US-Dollar in den Aufbau einer Station auf Dom A investieren und mittelfristig ein größeres Teleskop aufbauen, mit dem die Astronomen die Suche nach extrasolaren Planeten verstärken wollen.

Während Observatorien in der Antarktis Realität sind, werden sie auf dem Mond noch lange Zeit ein Traum bleiben. Die Nasa hat gerade eine Studie für ein Radioteleskop auf der Rückseite des Mondes mit einer halben Million Dollar unterstützt.

Das unter der Leitung des Naval Research Laboratory in Washington untersuchte Projekt "Dark Ages Lunar Interferometer" (Dali) soll dereinst nach Signalen aus der Frühzeit des Universums suchen (daher "Dark Ages", die dunklen Anfänge des Kosmos).

Nach heutigen kosmologischen Theorien haben sich nach dem Urknall riesige Wasserstoffwolken gebildet, zusammengezogen und die ersten Sterne ausgebrütet. Der Wasserstoff soll auch eine Strahlung mit einer Wellenlänge von 21Zentimetern ausgesandt haben. Weil das Universum seitdem gewachsen ist, besitzt diese Strahlung inzwischen Wellenlängen von mehreren Metern und genau die wollen die Astronomen auffangen.

Die Rückseite des Mondes erscheint dafür ideal. Es gibt keine Atmosphäre, und es herrscht absolute Ruhe, keine elektromagnetische Strahlung von Fernmeldetürmen und sonstigen Einrichtungen stört dort. Dali soll aus mehreren Dipolantennen bestehen, die entweder robotisch oder mit Hilfe von Astronauten auf einer Fläche von etwa zehn Quadratkilometern errichtet werden und die empfangenen Signale kombinieren.

Was Dali und den bisherigen Vorschlägen ähnlicher Art entgegensteht, sind die enormen Kosten. Außerdem ist ungewiss, wie die Instrumente dem Beschuss durch kosmische Strahlungsteilchen und dem intensiven UV-Licht der Sonne standhalten würden.

Schließlich benötigt ein solches Observatorium einen Generator oder eine andere Energiequelle, weil es pro Mondphase zwei Wochen lang dunkel ist. Bei Dali käme kostentreibend hinzu, dass man einen mondumkreisenden Relais-Satelliten benötigen würde, der die Messdaten vom Observatorium zur Erde überträgt. In absehbarer Zeit wird die Anlage sicher nicht verwirklicht.

Aber vielleicht bekommt das Projekt eine Chance, wenn es einmal eine bemannte Station auf dem Erdtrabanten geben wird.

© SZ vom 15.03.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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