Süddeutsche Zeitung

Aschermittwoch:Falsche Versprechen

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Eine heilsame Wirkung des Fastens ist nicht belegt. Und wer ein paar Kilos abnehmen möchte könnte eine unangenehme Überraschung erleben.

Sebastian Herrmann

Fasten bedeutet Verzicht. Oft sogar Verzicht plus Einlauf. So gehören zum Heilfasten nach Otto Buchinger körperwarme Darmspülungen mit Wasser oder Kamillentee.

Der Körper soll tote Darmbakterien ausscheiden, bevor ihn diese belasten könnten, so die Idee der Fastentheorie, die zum Aschermittwoch wieder vielfach angewandt wird.

Doch ob Fasten nach Buchinger, Milch-Semmel-Diät nach Franz Xaver Mayr, ob während der Kur gar nichts gegessen werden darf oder etwas Brühe, zwei Dinge stehen fest:

Das selbstverordnete Hungern findet längst nicht mehr nur zwischen Aschermittwoch und Ostern statt; und Wissenschaftler schütteln angesichts der Heilversprechen einer wuchernden Fasten-Ratgeber-Literatur den Kopf.

Abnehmen durch Fasten? Besser nicht

So hält die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) das Fasten für keine geeignete Methode, um dauerhaft abzunehmen.

Es gebe keine Fachgesellschaft in Deutschland, die Fasten aus medizinischen Gründen empfiehlt, sagt die Ernährungsphysiologin Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam.

Für kurze Zeit zu fasten habe keine medizinisch relevanten Effekte, urteilt die Stiftung Warentest. Langfristig heilsame Wirkungen erziele nur, wer seine Ernährung dauerhaft umstelle.

Besonders gilt das für Kurzzeit-Asketen, auf deren Prioritätenliste das Abnehmen ganz oben steht. Für den Körper ist Fasten eine künstliche Hungersnot. Sind die dürren Tage vorbei, startet er ein Programm, das die Evolution diktiert hat.

Sämtliche Energiespeicher werden wieder aufgefüllt - und zwar kräftig. Mit einem Effekt: "Wer nach dem Fastenbrechen wieder so isst wie zuvor, wird schnell mehr Gewicht haben als vor der Kur", sagt Klaus.

Den Geist läutern

Religionen betrachten das Fasten vor allem als Instrument, um den Geist zu läutern. Fastenkliniken und Ratgeberliteratur betonen dagegen die angebliche Reinigung des Körpers durch Verzicht und eventuelle Einläufe.

Der Abtransport von Stoffwechsel-Endprodukten beschleunige sich, der Körper entschlacke, führen Verfechter des Fastens an. Die Wissenschaft lehnt diese Argumentation rundweg ab: "In einem gesunden Körper gibt es keine Ansammlung von Schlacken und Ablagerung von Stoffwechselprodukten", schreibt die DGE in einer Stellungnahme.

Überhaupt seien viele der angeblich positiven Wirkungen des Fastens - etwa die Stärkung des Immunsystems oder die Linderung von Rückenschmerzen und rheumatoider Arthritis - ungenügend belegt.

Nichts für Kinder, Schwangere und Alte

"Ein methodisch sauberer Nachweis, dass Heilfasten tatsächlich heilsam ist, fehlt bis heute", sagt Udo Pollmer, wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. Dass sich Fastende nach ein paar Tagen euphorisch fühlen, sei eine normale Reaktion des Körpers auf Kalorienmangel, sagt Pollmer.

Dem subjektiven Wohlbefinden zum Trotz warnt die Stiftung Warentest vor den negativen Folgen einer Fastenkur. Die Abwägung von Nutzen und Risiko des Fastens falle aus medizinischer Sicht insgesamt negativ aus, so das Urteil der Stiftung.

Kinder, Schwangere und Alte sollten sogar ganz auf das Fasten verzichten. Gesunden Menschen empfehlen Ernährungswissenschaftler wie Klaus: "Eine Fastenkur sollte man vorher möglichst mit dem Arzt absprechen."

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SZ vom 1.3.2006
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