Süddeutsche Zeitung

Arzneimittel:Contergan vor dem Comeback

Der Name steht für einen der größten Medizinskandale der Geschichte. Doch der Wirkstoff Thalidomid soll als Anti-Krebs-Mittel in Europa wieder zugelassen werden.

Noch immer steht der Name Contergan für den Skandal Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre, als Tausende Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt gekommen waren. Ihre Mütter hatten das Schlaf- und Beruhigungsmittel während der Schwangerschaft eingenommen. Nachdem Contergan als Ursache identifiziert worden war, hatte der Hersteller das Medikament vom Markt nehmen müssen.

Bis heute ist es auf dem europäischen Markt offiziell nicht zugelassen. Lediglich unter strengen Bedingungen innerhalb spezieller Programme wird der Contergan-Wirkstoff Thalidomid verwendet. Diese Bedingungen sollen Patienten im Einzellfall den Zugang zu noch nicht zugelassenen Arzneimitteln ermöglichen.

Nun steht das Medikament in Europa offenbar vor einem Comeback. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (Emea) hat empfohlen, ein Thalidomid-Mittel der US-Pharmafirma Pharmion zuzulassen.

Und die EU-Kommission folgt normalerweise den Empfehlungen des Ausschusses.

In den USA, Australien, Neuseeland und anderen Ländern ist Thalidomid als Krebsmedikament bereits erhältlich. Offenbar kann das Mittel das Wachstum einer bestimmten Form von Krebs verzögern. Es geht um das sogenannte multiple Myelom, eine seltene Form von Knochenmarkkrebs.

Bei einer Studie, so wird die Empfehlung begründet, hatten Patienten mit diesem Krebs bei der Einnahme von Thalidomid in Kombination mit einer Standardtherapie im Schnitt eineinhalb Jahre länger überlebt.

Bei der Erstbehandlung des multiplen Myeloms bei Patienten mit einem Alter über 65 Jahren oder bei jenen, die nicht mit einer hochdosierten Chemotherapie behandelt werden könnten, überwiege der Nutzen das Risiko, so erklärte die Behörde.

"Wir wünschen uns, dass alle Patienten sicheren Zugang zu seinen erwiesenen Vorteilen haben", teilte die Myelom-Hilfsorganisation "International Myeloma Foundation" mit.

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Reuters
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