Artenvielfalt:Doch (noch) nicht ausgestorben

Seit 16 Jahren galt ein kleiner Frosch als ausgestorben, er wurde zum Symbol für die "größte Öko-Katastrophe in der Geschichte des jüdischen Staates". Doch es gibt ihn noch - dank der Bemühungen der Naturschützer.

Thomas Krumenacker

16 Jahre lang galt er offiziell als ausgestorben - nun feiern Artenschützer in Israel die Wiederentdeckung eines kleinen Frosches. Das Verschwinden des Palästinensischen Scheibenzünglers (Discoglossus nigriventer) war in Israel zum Symbol ökologischer, vom Menschen verursachter Schäden geworden.

Artenvielfalt: Der Palästinensische Scheibenzüngler ist zum Symbol für den Verlust der Artenvielfalt geworden. Nun ist er wieder aufgetaucht.

Der Palästinensische Scheibenzüngler ist zum Symbol für den Verlust der Artenvielfalt geworden. Nun ist er wieder aufgetaucht.

(Foto: Reuters)

Umso größer war die Freude, als Mitte November ein Ranger der Naturschutzbehörde im Hula-Tal im Norden des Landes das längst von der Erde verschwunden geglaubte Tier wiederentdeckte.

Zuletzt war der Frosch vor mehr als einem halben Jahrhundert in den Sümpfen und Marschen des Hula-Tals, seinem ausschließlichen Lebensort, gesehen worden. Im Osten begrenzen die Golan-Höhen das Gebiet, im Westen die Galiläa-Berge.

Mehrere internationale Suchexpeditionen blieben erfolglos, und 1996 erklärte die Internationale Naturschutzunion IUCN die Art für ausgestorben. Der auf dem Rücken ocker und rostrot gefärbte und auf dem Bauch weiß gepunktete Frosch wurde zum Symbol für den Verlust der Artenvielfalt, die die Eingriffe im Hula-Tal mit sich brachten.

Das Sumpfgebiet war in den 1950er Jahren trockengelegt worden, um Ackerland für den aufstrebenden jüdischen Staat zu gewinnen und die Malaria zu bekämpfen. Zunächst als Pioniertat gerühmt, zeigten sich rasch die Folgen des heftigen Eingriffs in das Ökosystem. Viele Pflanzen- und 37 Tierarten verschwanden, darunter imposante Vogelarten wie See- und Schelladler.

Auch die Hoffnungen auf landwirtschaftliche Erfolge stellten sich schnell als trügerisch heraus. Der starke Wind ließ die dünne Ackerkrume erodieren. Nitrat wurde aus dem ausgetrockneten Moorboden geschwemmt und belastete das wichtigste natürliche Gut des jüdischen Staates: Trinkwasser aus dem südlich des Tals gelegenen Sees Genezareth.

Doch am meisten sei es der Frosch gewesen, der für viele Menschen das Ausmaß der "größten Öko-Katastrophe in der Geschichte des jüdischen Staates" symbolisierte, sagt Dan Alon, Vorsitzender der Israelischen Ornithologenvereinigung. Vielleicht, weil in einem Wüstenland nichts so sehr als Schatz betrachtet werde wie Wasser und weil ein Frosch das Wasser stärker symbolisiert als jeder Vogel, versucht Alon eine Erklärung.

Nur ein kleines Gebiet im Hula-Sumpf entging der Trockenlegung. Dort entstand das erste Naturschutzgebiet Israels - und dort hat der Frosch unbemerkt überlebt. Drei Tage lebte er nach seiner Wiederentdeckung im Büro der Biologin Yifat Artzi, ehe sie das Tier wieder frei ließ. Seit zehn Jahren arbeiten Artzi und ihre Kollegen von der staatlichen Naturschutzbehörde daran, die Qualität des Feuchtgebietes zu verbessern. "Vor allem versuchen wir, mehr und saubereres Wasser hineinzupumpen", sagt sie.

Das ist nicht unumstritten in einem sehr trockenen Land - Israel besteht zu mehr als der Hälfte aus Wüste. In den vergangenen Jahren nahmen die Niederschlagsmengen stark ab. Der Pegel des wichtigsten Trinkwasserspeichers, des Sees Genezareth, ist bedenklich gesunken. Auch das Szenario vom Wasser als Kriegsgrund der Zukunft macht die Runde.

In so einer Situation ist es nicht leicht, alle zu überzeugen, dass es sinnvoll ist, wertvolles Wasser für den Naturschutz vermeintlich zu verschwenden", sagt die Biologin Artzi. "Aber der Frosch-Fund zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg." In der vergangenen Woche wurden im gleichen Gebiet drei weitere Hula-Frösche gesichtet.

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