Artenvielfalt:Arche für Amphibien

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Ein Stummelfuß- oder Harlekinfrosch der Art Atelopus certus. Wissenschaftler versuchen, die Kolonien von Amphibien in Panama zu erhalten, die von einem Pilz bedroht sind. (Foto: Brian Gratwicke, Smithsonian Conservation Biology Institute)

Fast über Nacht verschwinden ganze Amphibienarten, sie werden Opfer des Chytridpilzes. In Panama gibt es nun ein Forschungslabor, wo Wissenschaftler herausfinden wollen, wie Frösche und Kröten vor dem Killerpilz gerettet werden können.

Von Richard Stone

Mit einer behandschuhten Hand greift Brian Gratwicke in ein Terrarium und stupst die Kaulquappe sachte auf eine Viertel-Dollar-Münze. Während Gratwicke Fotos macht, hockt der fünf Tage alte Limosa-Harlekinfrosch ruhig da, kleiner als der Kopf von George Washington auf der Münze und mit einem grün-schwarzen Zickzack-Muster auf der glänzenden Haut.

Der Knirps ist eine Berühmtheit. Gratwicke, Naturschutzbiologe am Smithsonian Conservation Biology Institute in Washington, D. C. und seine Kollegen fingen erstmals 2009 einige der gefährdeten Kröten. "Wir konnten sie nicht mal zwei Tage lang am Leben halten", sagt Gratwicke. Die Tiere stammten aus dem Dschungel in Zentralpanama und galten als frei von dem Chytridpilz, der weltweit Amphibien befällt.

Doch die gefangenen Exemplare hatten sich in der Wildnis infiziert und starben in der Stadt Gamboa. Während weiterer Expeditionen entdeckte das Team dann gesunde Tiere. "Wir waren so nahe dran, die Art zu verlieren", sagt Gratwicke und hält Daumen und Zeigefinger nur eine Haaresbreite voneinander entfernt.

Weltweit sterben massenhaft Amphibien an Chytridiomykose, einer Pilzerkrankung. Hier sind Amphibienzellen zu sehen, die vom Chytridpilz befallen sind. (Foto: Doug Woodhams, Smithsonian Tropical Research Institute)

Ob die Geschichte gut ausgeht, hängt zum großen Teil von einer Einrichtung ab, die kommenden Monat in Gamboa öffnen wird, jener Stadt, die vor einem Jahrhundert für die Arbeiter des Panamakanals gegründet wurde.

Das Smithsonian-Institut errichtet dort ein Amphibien-Forschungslabor: sieben Kühlcontainer, gespendet von der Reederei Maersk Line, darin gläserne Terrarien, UV-Lampen und ausgefeilte Technik, um die Umgebungsbedingungen zu regulieren.

Die Notfallunterkünfte sollen den Kolonien bedrängter Arten eine Zuflucht bieten, die bislang in den nahe gelegenen Summit Botanical Gardens und dem El Valle Amphibian Conservation Center gehalten werden.

Nur ein winziger Teil der weltweit etwa 7100 Amphibienspezies komme für diese Art Lebenshilfe infrage, sagt David Wake, Biologe an der University of California in Berkeley. "Unter Amphibien-Biologen herrscht ein Gefühl der Hilflosigkeit, weil wir zusehen müssen, wie eine Art nach der anderen zurückgeht", sagt Wake, der vor 15 Jahren ein Jahr in Gamboa verbrachte. "Wenigstens versuchen diese Leute etwas zu ändern!"

Währenddessen sind Wissenschaftler dem Ziel einen Schritt näher gekommen, eine bereits ausgestorbene Froschspezies wieder auferstehen zu lassen. Vergangene Woche berichtete der Paläontologe Michael Archer von der University of New South Wales in Sydney während eines Symposiums in Washington, sein Team habe im Labor Embryos aus dem Gewebe von Magenbrüterfröschen produziert - zwei Arten, die in den 1980er-Jahren ausstarben.

Diese Frösche, 1972 im australischen Queensland entdeckt, waren die einzig bekannten Lebewesen, die ein Organ in ein anderes umwandeln konnten. Nachdem sie Eier gelegt hatten, verwandelten die Weibchen ihren Magen in eine Art Gebärmutter, schluckten die Eier hinunter, brüteten Kaulquappen aus und ließen die Jungfrösche durch den Mund schlüpfen.

"Als Biologen das erkannten, wollten sie mehr wissen", sagt Archer. "Und dann, gerade als alle aufgeregt wegen der Entdeckung waren: Bang, waren die Frösche ausgestorben." Eine weitere Spezies der Magenbrüterfrösche verschwand 1985 kurz nach ihrer Entdeckung.

Archer interessiert sich seit Langem dafür, Arten wieder auferstehen zu lassen. In den späten 1990er-Jahren machte er sich daran, den Tasmanischen Tiger wieder zu beleben, ein ausgestorbenes, Hyänen-ähnliches Beuteltier. Diese Mühe blieb erfolglos. Doch sein " Lazarus-Projekt", vor fünf Jahren gestartet, um den Magenbrütern zu helfen, macht Fortschritte. Archers Team gewann Zellkerne aus Froschgewebe, das in den 1970er-Jahren eingefroren worden war.

Dann nutzten die Forscher den sogenannten somatischen Zellkern-Transfer, um die Magenbrüter-Zellkerne in Eier von Australischen Südfröschen einzusetzen. Nach "Hunderten und Hunderten Misserfolgen" produzierten sie im Jahr 2011 Blastozysten mit Magenbrüter-DNA. Vergangenen Monat schafften sie dann Blastozysten, die auch einige Tage überlebten.

Gratwicke und seine Kollegen hoffen, dass solche Heldentaten unnötig werden, wenn es gelingt, die Ausrottung abzuwehren. Der Chytridpilz hat etwa ein Viertel von Panamas 200 Amphibienarten befallen. Die meisten Frösche im Botanischen Garten kommen aus Darién, der zu Kolumbien nächst gelegenen Provinz.

Bis der Pilz vor drei Jahren in Darién ankam, befand sich dort das letzte Bollwerk gegen den Erreger. Wissenschaftler machten sich nach Darién auf, um die Frösche aus noch pilzfreien Habitaten zu holen und in Schutz zu nehmen. Zuletzt ist die Feldarbeit wegen einer anderen Plage gefährlich geworden: Farc-Rebellen und Drogenkuriere.

Der Panama-Stummelfußfrosch (Atelopus zeteki) existiert noch - auch dank Brutprogrammen der Wissenschaftler. (Foto: Brian Gratwicke, Smithsonian Conservation Biology Institute)

In Gamboa sind die Container mit Klimaanlage, Wasserversorgung und einem Notfallgenerator ausgestattet. "Wir möchten nicht erleben, wie das letzte Exemplar einer Art in einem Metallbehälter gekocht wird", sagt Gratwicke. Als nächstes soll ein Laborgebäude entstehen, um dort Impfstoffe zu entwickeln oder Therapien gegen den Chytridpilz sowie Zuchttechniken für Arten wie den La-Loma-Baumfrosch, die sich in Gefangenschaft nur schwer fortpflanzen.

Die Gamboa-Arche soll eine zeitweilige Übergangsstation sein. Ganz vorne auf der Liste für eine wissenschaftlich assistierte Rückkehr steht der Panama-Stummelfußfrosch. Die Einheimischen glauben, ihn zu sehen bringe Glück.

In der Wildnis wäre das ein Wunder, weil die Kröte dort zuletzt im Jahr 2008 gesichtet wurde. Doch sie vermehrt sich in Gefangenschaft, und Wissenschaftler denken über einen Wiederansiedlungsplan nach. Der Erfolg könnte jedoch von einer gewaltigen Bedingung abhängen: den Chytridpilz unter Kontrolle zu bringen.

Dieser Text stammt aus der aktuellen Ausgabe von Science , dem internationalen Wissenschaftsmagazin der AAAS. Weitere Informationen unter: www.aaas.org, www.sciencemag.org. Dt. Bearbeitung: Katrin Blawat

© SZ vom 26.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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