Artensterben:Mutiertes Virus bedroht Honigbienen

Artensterben: Eine Hummel auf dem Weg zu ihrer Blüte.

Eine Hummel auf dem Weg zu ihrer Blüte.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Eine neue Variante des Flügeldeformationsvirus breitet sich rasant aus. Der Erreger ist aggressiver als sein Vorgänger. Ist er auch für Wildbienen gefährlich?

Von Tina Baier

Nach dem großen Bienensterben Anfang der 2000er Jahre ging es mit der Zahl der Honigbienen in Deutschland langsam, aber sicher wieder bergauf. Im Jahr 2007 gab es nur noch 670 000 Bienenvölker in Deutschland, heute sind es wieder knapp eine Million.

Doch jetzt warnen Wissenschaftler vor einer neuen Bedrohung: einer Variante des tödlichen Flügeldeformationsvirus (DWV). Nach den Ergebnissen ihrer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift International Journal for Parasitology: Parasites and Wildlife erschienen ist, breitet sich der mutierte Erreger weltweit rasant aus. "Die neue Mutante DWV-B ist tödlicher und eventuell auch leichter übertragbar als der ursprüngliche Erreger", sagt Robert Paxton, Zoologe an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. "Infizierte Tiere sterben in der Regel nach zehn bis 14 Tagen."

Wie das Virus die Bienen tötet, ist nicht ganz klar. Die für die Krankheit typischen deformierten Flügel sind auf jeden Fall nicht das Hauptproblem. Sie treten ohnehin nur bei Tieren auf, die bereits als Puppen infiziert wurden und dann aufgrund der Infektion mit defekten Flügeln schlüpfen. Doch auch erwachsene Bienen, denen man rein äußerlich nichts ansieht, können sich mit dem Erreger infizieren und daran sterben. "Kranke Tiere bewegen sich viel weniger und können ihre Aufgaben im Bienenstock nicht mehr so gut erfüllen", sagt Paxton.

Zwei bis drei Jahre dauert es, bis das Virus das ganze Volk vernichtet hat. "Die meisten infizierten Völker sterben dann im Winter", sagt Paxton. Gegen das Virus selbst gibt es noch kein Medikament. Wohl aber gegen seinen Überträger, die Varroamilbe. Die etwa einen Millimeter langen und anderthalb Millimeter breiten Parasiten saugen das Blut, genauer gesagt die Hämolymphe der Bienen und übertragen dabei das Flügeldeformationsvirus. "Es ist ein bisschen wie mit Moskitos und dem Erreger der Malaria", sagt Paxton. Die Blutsauger selbst sind unangenehm, aber nicht tödlich. Wirklich gefährlich sind die Krankheitserreger, die sie übertragen.

Die neue Virusvariante ist inzwischen auf fast allen großen Landmassen präsent

Den Studienautoren zufolge gibt es Hinweise darauf, dass die neue Mutante DWV-B anders als das ursprüngliche Virus von der Varroamilbe nicht nur übertragen wird, sondern dass es sich in dem Parasiten auch vermehrt. "Das könnte einen zusätzlichen Mechanismus darstellen, der die Ansteckungsrate bei DWV-B gegenüber von DWV-A erhöht", vermuten die Wissenschaftler in ihrer Untersuchung.

Die B-Variante des Flügeldeformationsvirus wurde erstmals im Jahr 2001 in den Niederlanden nachgewiesen. 16 Prozent ihres Genoms sind im Vergleich zur A-Variante verändert. Diese Veränderungen scheinen dem Virus enorme Vorteile zu verschaffen. Nur so ist zu erklären, dass sich die aggressive DWV-B-Variante derart schnell ausbreitet und das ursprüngliche Virus verdrängt.

Um herauszufinden, wie stark die neue Variante verbreitet ist, haben Paxton und sein Team Gendaten und Publikationen zu DWV-Viren ausgewertet, die in der Zeit von 2008 bis 2021 weltweit bei Honigbienen gefunden worden waren. Zusätzlich nahmen die Forscher in Deutschland, Großbritannien und Italien selbst Proben. Ihr Ergebnis: "Die neue Virusvariante ist inzwischen auf allen großen Landmassen der Erde außer in Australien präsent." In den 2000er Jahren breitete sich DWV-B demnach vor allem in Europa und Afrika aus. Seit 2010 grassiert es auch in Nord- und Südamerika, seit 2015 ist es in Asien nachweisbar. "In Deutschland gibt es mittlerweile nur noch die B-Variante", sagt Paxton. Sie habe die A-Variante komplett verdrängt.

Wildbienen stecken sich bei Blüten an, die zuvor eine infizierte Honigbiene besucht hat

Was bedeutet das für die Imker in Deutschland? "Sie müssen noch konsequenter als bisher auf Hygiene im Stock achten, um einem Befall mit der Varroamilbe vorzubeugen", sagt Paxton. Denn mit dem Flügeldeformationsvirus infizierte Varroamilben übertragen den Erreger mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit auf die Bienen. Ist ein Volk bereits mit Milben befallen, sollte es mit speziellen Insektiziden behandelt werden, die die Milben töten, aber nicht die Bienen - wenn nötig zweimal im Jahr.

Damit schützen Imker nicht nur ihre eigenen Bienenvölker, sondern auch Wildbienen, von denen es in Deutschland etwa 580 verschiedene Arten gibt. Wildbienen sind als Bestäuber mindestens ebenso wichtig wie die Honigbiene, und anders als diese sind viele Spezies tatsächlich vom Aussterben bedroht. Von einigen Arten, etwa von Erdhummeln, weiß man, dass sie das Flügeldeformationsvirus bekommen können. Laborstudien haben gezeigt, dass infizierte Hummeln auch früher sterben als gesunde.

"Die Wildbienen stecken sich an, wenn sie Blüten besuchen, an denen zuvor eine infizierte Honigbiene gesammelt und Ausscheidungen hinterlassen hat", sagt Paxton. Wenn es also gelingt, die Inzidenz der neuen Virusvariante in den Honigbienenvölkern niedrig zu halten, sinkt auch die Gefahr, dass sich Wildbienen anstecken. Eine Übertragung von Honigbienen auf ihre wildlebenden Verwandten durch Varroamilben ist hingegen glücklicherweise selten oder sogar ausgeschlossen, da diese Parasiten vor allem Honigbienen befallen.

Doch Wildbienen sind von vielen anderen Gefahren stärker bedroht als die Honigbiene, um die sich im Notfall der Mensch kümmert. Einer der wichtigsten Gründen für den starken Rückgang vieler Wildbienen-Arten ist die intensive Landwirtschaft. Zum einen wegen der vielen Insektizide und Herbizide, deren Wirkung sich eigentlich nie auf diejenigen Organismen beschränkt, die die Landwirte bekämpfen wollen. Erst kürzlich hat eine Untersuchung im Wissenschaftsjournal Science gezeigt, dass das Pflanzenschutzmittel Glyphosat auf Umwegen auch Hummeln schadet. Das vielleicht größte Problem der Wildbienen ist aber der Verlust von Lebensraum. Die intensiv bewirtschafteten Felder sind für die Insekten wie eine grüne Wüste, in der sie schlicht nichts zu fressen finden.

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