Süddeutsche Zeitung

Artenschutz:US-Regierung will Eisbären schützen

Da Eisbären durch die globale Erwärmung und die abschmelzenden Polkappen bedroht sind, haben die USA sie in ihr Artenschutzgesetz aufgenommen. An der Klimapolitik soll sich jedoch nichts ändern.

Die US-Regierung nimmt die Eisbären wegen der globalen Erwärmung und abschmelzender Polkappen als bedrohte Tierart in das nationale Artenschutzgesetz auf.

Ausschlaggebend für die Entscheidung sei die Befürchtung, die Tiere könnten in 45 Jahren vor dem Aussterben stehen, sagte US-Innenminister Dirk Kempthorne in Washington. "Das Eis, auf dem die Bären leben, ist drastisch geschmolzen."

Die Zahl der Polarbären wird auf etwa 25.000 geschätzt, 4700 davon leben im US-Staat Alaska.

Laut US-Innenministerium sind die Polareiskappen in den vergangenen zwei Jahrzehnten um 20 Prozent abgeschmolzen. Dieses Eis aber sei entscheidend für das Überleben des Eisbären. Es werde für die in der Nordpolarregion lebenden Tiere immer schwieriger, auf Eisschollen im Wasser zu treiben, zu jagen und Jungtiere aufzuziehen. In der Hudson Bay in Kanada sei die Population bereits um 20 bis 22 Prozent zurückgegangen.

Kempthorne erklärte, dass Computermodelle auf ein weiteres, rapides Abschmelzen des Eises rund um den Nordpol hindeuteten.

Die Entscheidung, den Ursus maritimus unter Artenschutz zu stellen, ging von einer Empfehlung der Fischerei- und Wildtierbehörde aus dem Januar 2007 aus. Auch der US-Kongress hatte diesbezüglich Druck auf die Regierung von George W. Bush ausgeübt.

"Kein Türöffner für Aktivisten"

Kempthorne selbst hatte bereits Ende 2006 den Schutz der Tiere in die Diskussion gebracht. Ein US-Gericht hatte der Regierung in Washington bis Donnerstag Zeit für eine Entscheidung gegeben.

Der Minister dämpfte jedoch Erwartungen, dass die Entscheidung direkten Einfluss auf die US-Klimapolitik haben könnte. "Ich muss unterstreichen, dass die Auflistung des Eisbären als gefährdete Tierart weder den globalen Klimawandel aufhalten noch das Abschmelzen des Meereseises stoppen wird", sagte er.

Auch werde er sicherstellen, dass der Schritt nicht zum "Türöffner" für Aktivisten werde, um die Begrenzung von Treibhausgasen durchzusetzen. Das nationale Artenschutzgesetz sei "nicht das richtige Werkzeug, um US-Klimapolitik festzulegen".

Die Polarbären sollen nach der Entscheidung in einer Weise geschützt werden, dass "zugleich unbeabsichtigter Schaden für die Gesellschaft und die Wirtschaft vermieden wird".

Deshalb wird die Umsetzung des Gesetzes zum Schutz von bedrohten Arten beim Eisbären durch eine Reihe von administrativen Richtlinien eingeschränkt.

Die Regierung von Präsident George W. Bush lehnt verbindliche Regelungen zur Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen ab. Auch hatten die USA erst im Februar die Förderung von Öl und Gas auf einer Fläche von rund 30.000 Hektar in der Tschuktschensee vor Alaska in unmittelbarer des Nähe des Lebensraums der Eisbären erlaubt.

Freude bei Umweltschützern, Kritik von der Ölindustrie

Umweltschützer begrüßten den Schritt, zeigten sich aber zugleich überzeugt, dass die Regierung keine andere Wahl habe, als den Ausstoß der Treibhausgase zu verringern.

Der Präsident der weltgrößten Umweltschutzorganisation WWF, Carter Roberts, nannte die Entscheidung einen "gewaltigen Sieg". Gleichzeitig bedauerte er die Verspätung, mit der der Schutz in Kraft getreten sei.

"Entscheidend ist, was in dem Gesetz steht, nicht, wie die Regierung es auslegt", sagte Kassie Siegel vom US-Zentrum für Biologische Vielfalt der Washington Post. Die Entscheidung sei "die bislang deutlichste Aussage dieser Regierung zur Klimaerwärmung".

Kritik an der Entscheidung kommt von der Ölindustrie. Schließlich steht die Vergabe von Ölbohrlizenzen in der Tschuktschensee bevor. Dort lebt eine der beiden Eisbärpopulationen in Alaska. In dem US-Staat werden 15 Prozent des US-Öls gefördert. Marilyn Crockett, die Chefin der Vereinigung der Öl- und Gasindustrie in Alaska, erklärte, sie befürchte nun zahlreiche Prozesse und Klagen, wenn es um gegenwärtige Produktionsanlagen und geplante Erweiterungen gehe. Auch eine Klage gegen den Beschluss der Regierung wollte sie nicht ausschließen. Die Grundlage der Entscheidung müsse noch geprüft werden.

Bei den Eisbären handele es sich um eine gesunde Population, sagte Crockett. Die eigentliche Gefahr seien jetzt die rechtlichen Auseinandersetzungen, die eine erhebliche Auswirkung auf die ganze Industrie haben könnten.

Die Aufnahme der Polarbären in die Liste der bedrohten Tierarten könnte Auswirkungen über Alaska hinaus haben. Kritiker befürchten, dass dann der Bau neuer Kraftwerke und anderer Projekte in den USA nun jeweils auf ihre Auswirkungen auf die Klimaerwärmung in der Arktis überprüft werden müssten.

Auch führende Vertreter der kanadischen Ureinwohner sind nicht glücklich über den Schutz der Tiere. Sie machen traditionell Jagd auf das größte Landraubtier der Erde. "Unsere oberste Sorge galt immer der Frage, inwieweit die Inuit in Kanada von dieser Entscheidung betroffen sind", hieß es in einer Erklärung. Sie sehen ihre Kultur, ihre Wirtschaft und ihre gesamte Existenz bedroht.

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