Artenschutz:Trumps Mauer schadet massiv der Natur

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(Foto: AFP/AFP/Mauritius)
  • Eine durchgängige Mauer zwischen den USA und Mexiko würde sechs Regionen mit großem Artenreichtum durchschneiden. Wissenschaftler rufen dazu auf, von dem Vorhaben abzulassen.
  • Beispielsweise wären Jaguare und Ozelots gefährdet, selbst einige tieffliegende Schmetterlingsarten oder Vögel könnte eine Mauer behindern.
  • Auch in Europa wurden in den vergangenen Jahren neue Grenzzäune auf Hunderten Kilometern Länge errichtet, teilweise mitten durch Naturschutzgebiete.

Von Christoph von Eichhorn

Das Wüsten-Dickhornschaf ist ein Opfer der Einwanderung. Bevor die Europäer Amerika besiedelten, waren die geschickten Kletterer überall in den Wüsten zwischen Kalifornien und dem Golf von Mexiko zu finden. Doch jagende Siedler und eingeschleppte Krankheiten haben die Art fast ausgerottet. Noch einige Hundert Dickhornschafe durchstreifen heute die Grenzregion zwischen den USA und Mexiko. Erst in den vergangenen Jahren hat sich die Population dank Bemühungen von Naturschützern etwas erholt. Doch nun könnten die Wiederkäuer wieder Opfer der Einwanderung werden - der Einwanderungspolitik Donald Trumps.

Der US-Präsident will eine Mauer zwischen den USA und Mexiko errichten, also genau durch den Lebensraum der Dickhornschafe. Und durch den vieler anderer Spezies. Eine kontinuierliche Barriere an der 3200 Kilometer langen Grenze würde den Lebensraum von 1100 Tier- und 400 Pflanzenarten durchschneiden, schätzen Biologen in einer Analyse im Fachjournal BioScience. Die Studie ist zugleich ein Aufruf, vom Mauerbau abzulassen. Dieser "gefährdet einige der biologisch vielfältigsten Regionen des Kontinents", warnen die Wissenschaftler.

Die Mauer würde auch Jaguare, Ozelots und sogar manche Vogelarten gefährden

62 Arten, die entlang der Grenze leben, gelten laut der Roten Liste der Naturschutzunion bereits als gefährdet. Die Co-Autorin Jennifer Miller von der Naturschutzorganisation Defenders of Wildlife nennt die Grenzbarrieren im Scientific American "eine ungezügelte ökologische Katastrophe". Etwa 2600 Wissenschaftler aus aller Welt haben den Aufruf unterzeichnet, mehr als die Hälfte davon aus den USA.

Angesichts der menschlichen Dimensionen von Trumps Grenzpolitik mag es wie eine Petitesse klingen, sich auch noch um ein paar Tiere zu sorgen. Schließlich trennt eine hohe Barriere auch Familienangehörige voneinander, die auf unterschiedlichen Seiten leben, sie bremst womöglich kulturellen Austausch und grenzüberschreitenden Handel. Für Trumps Wähler wiederum geht es um nationale Sicherheit und die Abwehr von Drogenkartellen. Doch ob die Mauer diesen Zweck erfüllt, ist fraglich. So schmuggeln mexikanische Kartelle das allermeiste Heroin nicht durch die Wildnis, sondern fahren es über reguläre Grenzübergänge in die USA, versteckt in Lkws und Autos. Und die meisten illegalen Einwanderer reisen legal mit einem Visum ein und bleiben nach dessen Ablauf einfach. Der Einfluss einer Mauer auf diese Faktoren wäre wohl überschaubar.

Dagegen ist es praktisch sicher, dass die Natur durch den Grenzwall Schaden nimmt. Die Grenze zwischen den USA und Mexiko verläuft durch sechs Regionen, deren klimatische und geografische Eigenheiten teilweise einzigartige Ökosysteme hervorgebracht haben - etwa die Sky Islands zwischen Arizona, New Mexico und zwei mexikanischen Bundesstaaten. Diese "Himmelsinseln" sind inselartige Gebirge, die sich 1300 Meter über die Ebene erheben, mit eigener Flora und Fauna. Für viele Arten ist es essenziell, zwischen solchen inselartigen Biotopen hin und her zu wandern und auch über die Grenze zu streifen, etwa auf der Suche nach Wasser oder zur Paarung. So sind bei den Dickhornschafen neun Herden dokumentiert, die regelmäßig die Seiten wechseln. Auch die letzten in den USA wild lebenden Jaguare und Ozelots würde eine Mauer von den größeren Populationen in Zentralamerika abschneiden. Isoliert könnten die Raubkatzen auf Dauer womöglich nicht überleben. Selbst einige Schmetterlings- und Vogelarten würde eine Mauer behindern. So fliegt der Brasil-Sperlingskauz selten höher als vier Meter über dem Boden, die Eule tut sich schon beim Überfliegen von Bäumen schwer.

Wie hoch die Mauer wird, wie sie überhaupt aussieht, wird entscheidend für die ökologischen Auswirkungen sein. Tatsächlich gibt es zwischen den USA und Mexiko bereits Grenzanlagen auf einer Länge von 1050 Kilometern, größtenteils errichtet während der Amtszeit von George W. Bush. Etwa die Hälfte der existierenden Barrieren halten nur Fahrzeuge ab, für Personen stellen sie kein Hindernis dar. Wildtiere können problemlos durchschlüpfen. Mit diesen Barrieren ist Trump jedoch unzufrieden. Er bevorzugt eine massive Mauer aus Beton, zuletzt sprach das Weiße Haus von einer "Stahlbarriere". Ökologisch wäre beides schlecht. "Es kommt darauf an, ob die Barriere durchlässig ist", schreiben die Biologen in ihrer Analyse in Bioscience. "Und aus der Perspektive eines Jaguars hat ein unüberwindbarer Zaun den gleichen Effekt wie eine Mauer."

Zudem geht es nicht nur um das Bauwerk an sich - für Grenzpatrouillen daran entlang würden Tausende Kilometer neue Straßen benötigt, die ebenfalls Spuren in der Wildnis hinterlassen. Besonders ärgert die Wissenschaftler, dass im Namen des Grenzschutzes Vorschriften zum Schutz seltener Tiere und der Umwelt einfach übergangen werden dürfen. Dafür sorgt ein Gesetz der Bush-Administration von 2005, das die Regierung Trump großzügig nutzt.

Was die Länge der Zäune angeht, liegt Europa deutlich vor den USA

Dass der Naturschutz keine Rolle mehr spielt, sobald es um Grenzen geht, ist allerdings auch in Europa der Fall. Was Tempo und Gründlichkeit beim Bau neuer Wälle anbelangt, dürfte Trump durchaus neidisch über den Atlantik blicken. Zwischen der EU und ihren Nachbarstaaten gibt es laut einer Analyse im Fachmagazin Plos Biology mittlerweile Zäune auf einer Länge von 2250 Kilometern - also auf mehr als der doppelten Länge wie an der US-Außengrenze. Viele davon wurden hastig während und nach der Flüchtlingskrise von 2015 hochgezogen. Sogar zwischen einzelnen EU-Staaten bestehen 400 Kilometer Barriere.

So hat Slowenien die Grenze zu Kroatien mit einem stacheldrahtbewehrten Zaun gesichert, der mitten durch Naturschutzgebiete führt. In dieser Region rund um das Dinarische Gebirge leben viele teils seltene Arten, wie der Braunbär, der Wolf oder der Eurasische Luchs, die häufig besonderen Schutz genießen und deren einzelne Populationen nun voneinander getrennt sind. Die genetische Vielfalt und Überlebensfähigkeit der isolierten Gruppen könnte darunter leiden. Das Revier vieler Wolfsrudel liegt beiderseits der Grenze, auch Bären wandern weite Strecken, die natürlich auch über Landesgrenzen führen.

In Europa sind neue Zäune für den Naturschutz ein großer Rückschlag. Wildtiere in Europa profitierten die vergangenen 30 Jahre vom Fall des Eisernen Vorhangs und der allmählichen Grenzöffnung in Osteuropa. So konnten sich vormals getrennte Habitate wieder verbinden, Wölfe und Luchse Richtung Westeuropa einwandern. Diese Zeiten gehen zu Ende. Vielerorts werden wieder Barrikaden hochgezogen oder verstärkt, derzeit an der Grenze zwischen Ungarn und Serbien, oder zwischen Russland und der Ukraine. Auch die baltischen Staaten denken über neue Befestigungen an der russischen Grenze nach.

Wissenschaftler berichten von Einschüchterung

"Das Problem geht nicht weg", sagt John Linnell vom norwegischen Institut für Naturforschung und Erstautor der Studie in Plos Biology. Er sieht den Naturschutz als Kollateralschaden einer populistischen Verschiebung in Politik und Gesellschaft. "Diese Denkweise wird dem Erhalt wilder Tiere in keiner Weise förderlich sein." Linnell fürchtet weniger die kurzfristigen Auswirkungen der Zäune, sondern den Schaden, den sie auf lange Sicht anrichten. Der ließe sich jedoch nur schwer erforschen. "Sobald man mit Themen wie Grenzschutz, Einwanderung und Verteidigung zu tun hat, stößt man gegen eine Mauer." Das funktioniere alles nach einer ganz eigenen Logik, in der Umweltschutz praktisch keine Rolle spiele. So könnten viele der Zäune in Osteuropa gegen EU-Recht verstoßen, argumentieren die Wissenschaftler in Plos Biology, da bei ihrem Bau oft Umweltverträglichkeitsprüfungen fehlten.

An der US-Südgrenze berichten manche amerikanische und mexikanische Wissenschaftler von Einschüchterungsversuchen seitens Grenzbeamter, als sie auf Feldforschung unterwegs waren. Ihnen bleibt immerhin ein Trost: Wie die New York Times berichtet, hat Donald Trump den existierenden Grenzmauern bislang noch keinen einzigen Kilometer hinzugefügt.

© SZ vom 14.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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