Artenschutz:"Jeder kann etwas tun"

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Die aktuelle Rote Liste zeigt, dass jede vierte Säugetierart vom Aussterben bedroht ist. Dabei sind die Warnungen noch untertrieben, sagt Achim Steiner, Generaldirektor des Umweltprogramms der UN.

Martin Kotynek

Die Kernbotschaft der Roten Liste lautet wieder einmal, dass das Artensterben dramatischer sei als jemals zuvor. Warum die Warnungen noch untertrieben sind, erklärt Achim Steiner, Generaldirektor des UN-Umweltprogramms UNEP.

Gorillas wurden dieses Jahr erstmals in der höchsten Gefährdungsklasse gelistet. (Foto: Foto: Reuters)

SZ: Schleicht sich nicht allmählich das Gefühl ein, man könne ohnehin nichts gegen das Artensterben tun?

Achim Steiner: Natürlich besteht hier - wie auch bei der Klimadiskussion - die Gefahr, dass es Ermüdungserscheinungen gibt. Doch das ist eine kurzsichtige Reaktion. Die Rote Liste wird ja nicht aus einem negativen Interesse heraus veröffentlicht, sondern man möchte der Öffentlichkeit zeigen, dass sich die Situation der Artenvielfalt Jahr für Jahr tatsächlich verschlimmert. Mittlerweile ist die ökologische Krise bei vielen Arten so dramatisch geworden, dass sie die Bezeichnung "rot" auch tatsächlich verdienen.

SZ: Hat die Rote Liste schon jemals etwas verbessert?

Steiner: In den 1980er Jahren hatte sich die Zahl der Elefanten in Afrika halbiert. Hätten wir damals die Rote Liste nicht gehabt, hätte niemand eingegriffen und der Elefant wäre heute vermutlich akut vom Aussterben bedroht.

SZ: Aber ist denn die Veröffentlichung von Roten Listen heute noch zeitgemäß?

Steiner: Das Instrument ist populärer als je zuvor, in Europa werden allein 3000 Rote Listen zu lokalen Ökosystemen veröffentlicht, darunter auch in Bundesländern wie Bayern. Die Rote Liste der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, Weltnaturschutzunion; Anm. d. Red.) ist die Grundlage, um über den Artenverlust nicht im Abstrakten diskutieren zu müssen. Sie ist das Lexikon unseres Wissens über die Artenvielfalt und zeigt Trends auf.

Die Liste richtet das Rampenlicht auf Arten, für die akute Notmaßnahmen getroffen werden müssen, damit wir sie nicht verlieren. Solche Leitmotive brauchen Politiker auch heute, um ihr Handeln daran auszurichten.

SZ: Solche Notmaßnahmen sind laut der Roten Liste bei 16.306 Arten nötig. Ist die Situation tatsächlich so schlimm?

Steiner: Die Rote Liste ist kein Alarmismus, im Gegenteil, die IUCN listet bedrohte Arten erst auf, wenn es klare wissenschaftliche Fakten gibt. Viele Umweltschützer kritisieren das als zu konservativ. Sie behaupten, die Situation sei in Wirklichkeit noch viel ernster.

SZ: Und das trotz der Anstrengungen der Naturschutzorganisationen? Machen andere Faktoren deren Arbeit zunichte?

Steiner: Zwei Milliarden Menschen leben in Armut, der Bedarf an Gütern für ihr Überleben wächst täglich. Wir haben es noch nicht geschafft, dass Menschen, die ums Überleben kämpfen, nicht die Natur zerstören müssen. Zudem sehen wir die Natur in weiten Teilen der Welt als freies Gut, dessen Zerstörung keinen wirtschaftlichen Wert hat.

Doch unter solchen Gesichtspunkten ist der Preis dieses unverantwortlichen Handelns zu hoch. Wir müssen auch einen wirtschaftlichen Wert des Naturschutzes in den Preis von Waren mit einberechnen und so der Umwelt einen Wert geben.

SZ: Wäre es nicht die Aufgabe der Politik, solche Änderungen herbeizuführen?

Steiner: Trotz aller Rhetorik ist die Bereitschaft der Politiker weltweit, in den Naturschutz zu investieren, bisher enttäuschend. So hat der Grad der Umweltzerstörung ein Niveau erreicht, bei dem etwa der kommerzielle Fischfang in den Weltmeeren bis 2050 nicht mehr existieren könnte.

Die Bestände brechen durch Überfischung zusammen. Regierungen begreifen erst langsam, wie hoch der Preis ist, wenn wir die Artenvielfalt verlieren. Die Wiederherstellung von Ökosystemen kostet Milliarden. Als Gesellschaft sind wir offenbar dazu bereit, das zu riskieren, ohne wahrzunehmen, dass das Aussterben einer Art endgültig ist.

SZ: Was kann denn der Einzelne gegen die Überfischung der Meere tun?

Steiner: Auch im Alltag kann jeder etwas tun, etwa beim Einkauf darauf achten, ob ein Unternehmen ökologisch arbeitet und sich dann für das umweltfreundlichste Produkt entscheiden. Ein Beispiel ist das MSC-Gütesiegel (Marine Stewardship Council; Anm. d. Red.) auf ökologisch hergestelltem Tiefkühl-Fisch.

SZ: Liegt es also jetzt an den Bürgern, die Welt zu retten?

Steiner: Natürlich muss die Politik vermehrt Anreize setzen und mit Steuern das Handeln der Unternehmen in die richtige Richtung lenken. Politik und Wirtschaft reagieren aber letztlich auf unser Interesse als Bürger.

© SZ vom 13.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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