Artenschutz:Apollo fliegt wieder

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Mit dem Apollofalter kehrt eine fast verschwundene Schmetterlingsart in die Weinberge des Moseltals zurück. Insektizide hätten das Tier in den achtziger Jahren fast ausgerottet.

Robert Lücke

Es ist gerade mal eine Menschengeneration her, da war Deutschlands größter und seltenster Schmetterling fast ausgerottet. Der Apollofalter ( Parnassius apollo) kommt natürlicherweise nur in wenigen Gegenden Europas vor.

Ein Apollofalter-Weibchen legt in der Nische einer Weinbergsmauer Eier ab. Der Falter war an der Mosel fast ausgestorben.  (Foto: ag.dpa)

An der Mosel war er durch rigorose Flurbereinigung an den Weinbergen und großflächigen Insektizideinsatz, teils sogar vom Hubschrauber aus, nahezu verschwunden. Nur wenige Dutzend Falter segelten noch an den Steilhängen des Moseltales. Das hat sich geändert. In diesen Tagen kann man die Falter dort wieder zuhauf fliegen sehen.

Was den Apollofalter neben seiner Größe und Seltenheit einzigartig und für Wissenschaftler interessant macht, sind seine unterschiedlichen Erscheinungsformen. Eigentlich ein Falter der Alpen und anderer Gebirge Eurasiens, konnte er sich in wenigen geeigneten niedrigen Gebirgsgegenden wie der Mosel, dem Altmühltal und der Fränkischen Schweiz ausbreiten, wo er isolierte Formen und Unterarten ausbildete, die sich genetisch und optisch voneinander unterscheiden.

Biologisch ist die Art wohl schon alt und ein Relikt aus dem Tertiär, das die europäische Eiszeit überdauert hat. Die Vorkommen des Tieres mit den weißen Flügeln, den auffälligen roten und orangefarbenen Punkten und der schwarzen Zeichnung waren wohl nie besonders groß. Das Verschwinden eines Areals stellt daher gleich die ganze Art in Frage.

Den Mosel-Apollofalter sehen Biologen seit Ende des 19. Jahrhunderts als eigene Unterart an, was seine Existenz umso wertvoller machte. "Anfang der 1980er-Jahre fanden wir auf der Futterpflanze der Apollo-Raupen, der Weißen Fetthenne, nur tote Tiere", sagt der Leverkusener Schmetterlingskundler Helmut Kinkler.

Auch in der Fränkischen Schweiz, wo die Art noch Mitte der 1960er-Jahre häufig war, wurden 20 Jahre lang kaum noch Tiere gesichtet. Die Fetthenne, die dort auf Kalkböden wächst, verschwand wohl infolge des Sauren Regens, der die alkalischen Kalkböden versauert hatte.

An der Mosel gab es auf den von Römern geschaffenen Weinbergterrassen das größte außeralpine Vorkommen. Die Futterpflanze fand hier gute Wachstumsbedingungen. Die Ursache für den Rückgang der Falter entdeckte Dietrich Neumann von der Universität Köln.

Den Tieren selbst drohte durch Pflanzenschutzmittel keine Gefahr, die Raupen starben beim Kontakt mit Insektengift sofort. Kinkler und andere Schmetterlingskundler gewannen Dieter Bourquin von der Trierer Weinbauforschungsanstalt und Franz Dötsch, einen örtlichen Bürgermeister, für ein Schutzprogramm.

Im Juni und Juli kann man heute wieder Tausende Apollofalter in den Weinbergen an der Mosel fliegen sehen. (Foto: dpa)

Bourquin überzeugte die Winzer, fortan auf die Giftdusche zu verzichten. Stattdessen wurden in den Weinbergen Schnipsel mit Pheromonen zweier Rebenwickler-Arten verteilt. "Die von weiblichen Tieren gewonnenen Sexuallockstoffe wurden von den Winzern im Weinberg aufgehängt. Die männlichen Rebenwickler waren so verwirrt, dass sie die Weibchen nicht mehr fanden", sagt Kinkler.

Die kleinen Falter, die von den Winzern als Schädlinge bisher mit Gift bekämpft wurden, konnten so eingedämmt werden: keine Rebenwickler, kein Gift - gut für den seltenen Apollo.

Aber auch die Futterpflanze der Larven, die Weiße Fetthenne, musste geschützt werden. Sie gedeiht nur an Kronen der Weinbergmauern in der Sonne. Wachsen die Mauern mit Gestrüpp zu, verschwinden Fetthenne und Falter. In den wenigen Naturschutzgebieten, in denen bisher aus falsch verstandener Naturliebe kein Wein mehr angebaut und die Flora sich selbst überlassen worden war, wucherte alles zu.

Dötsch sorgte dafür, dass Fetthenne und Falter im Weinberg wieder genug Licht bekamen. Das hat zu einer Zunahme der Apollo-Bestände an 15 Stellen geführt. Heute gibt es im Moseltal zwischen Koblenz und Cochem wieder so viele Apollofalter wie lange nicht mehr.

Sie segeln im Juni und Juli zu Tausenden wie kleine Vögel durch die Weinberge. Neben dem Apollo profitieren Smaragdeidechse, Sattelschrecke, Zippammer und andere wärmeliebende Bewohner trockener Offenflächen.

Heute werden 80 Prozent der Weinberge an der Untermosel ohne Insektengifte bewirtschaftet, weitere Flurbereinigungen unterblieben, und die Apollofalter und andere seltene Schmetterlinge wie Segelfalter, Großer Schillerfalter und Großer Fuchs haben sich vermehrt.

Der Apollo ist sogar Werbeträger von Winzern und Tourismusmanagern geworden, Feste und Weine sind nach ihm benannt, zwischen Valwig und Cochem wurde der naturkundliche "Apolloweg" angelegt. Der Schutz einer einzigen Schmetterlingsart hat offenbar zum Umdenken geführt - und eine gewachsene Kulturlandschaft mit den typischen Weinbergterrassen erhalten.

© SZ vom 21.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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