Süddeutsche Zeitung

Artenforschung:Ellenbogen-Taktik lohnt sich nicht

  • Schimpansen arbeiten lieber in der Gruppe - anstatt sich gegenseitig das Leben schwer zu machen.
  • In einem Test mussten die Tiere gemeinsam an einem Apparat ziehen, um eine Belohnung zu ergattern.
  • Ergebnis: Die Affen entschieden sich häufiger für eine Zusammenarbeit als für das Konkurrenzverhalten.
  • Dies widerspricht der Annahme, dass Kooperation ein speziell menschliches Phänomen ist.

Forscher bestätigen: Egotrips führen nicht zum Ziel. Wer hingegen zur Zusammenarbeit bereit ist, wird belohnt. Das gilt, so zeigt es eine aktuelle Studie, nicht nur für den Menschen, sondern auch für Schimpansen. Forscher um den Primatologen Frans de Waal von der Emory University in Atlanta haben in einem Versuch elf Schimpansen vor die Wahl gestellt: Auf die Tiere wartet Obst, das sie durch Ellenbogeneinsatz - oder durch Zusammenarbeit ergattern können. Ergebnis: Die Tiere arbeiten lieber zusammen, als sich gegenseitig das Leben schwer zu machen.

Denn um an das Obst zu kommen, mussten jeweils zwei oder drei Affen gemeinsam an einem Apparat ziehen. Schimpansen, die zu dieser Zusammenarbeit nicht bereit waren, konnten die Belohnung nur durch Diebstahl oder Einschüchterung der kooperationswilligen Tiere ergattern. Im Wissenschaftsjournal PNAS berichten de Waal und seine Kollegen, dass die Schimpansen klar das Gemeinschaftswerk bevorzugen.

Nur ein Tier lernte über die Dauer des Versuchs nicht wirklich dazu

Der Versuch lief über 94 Stunden, in dieser Zeit entschieden sich die Gruppenmitglieder 3565 Mal für eine Zusammenarbeit und nur etwa 600 Mal für das Konkurrenzverhalten. Die Schimpansen entwickelten sogar eine Reihe von Mechanismen, um die Schmarotzer zu bestrafen oder umzustimmen: Kooperationswillige suchten sich ihre Partner sorgfältig aus, Bestohlene beklagten sich lautstark, dominante Affen intervenierten nach einem Diebstahl - oder es gab gleich Gruppenschelte.

In ihren Verhaltensmustern ähneln die Schimpansen stark den Menschen, schreiben die Forscher. Das widerspreche der Annahme, dass Kooperation ein speziell menschliches Phänomen sei. Sie vermuten dahinter fundamentale soziale Mechanismen, die Kooperation gegenüber Konkurrenz fördern. Bislang waren Forscher davon ausgegangen, dass Schimpansen eher auf Rivalität aus sind.

Nur ein Tier lernte über die Dauer des Versuchs nicht wirklich dazu: die 48 Jahre alte, fast blinde Schimpansin Mai. Die Affen-Oma wollte partout nicht mit den anderen Tieren kooperieren und schmarotzte, wo sie nur konnte. Die anderen Affen verweigerten bald die Zusammenarbeit und ließen sie alleine vor dem Belohnungsapparat sitzen.

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