Post von der Polarstern:Aufbruch ins Eis

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Seit September ist das Forschungsschiff Polarstern (im Hintergrund) in der Arktis unterwegs (im Vordergrund ein russisches Versorgungsschiff). (Foto: Steffen Graupner/dpa)

Physiker Alexander Schulz nimmt an der Mosaic-Expedition teil und berichtet darüber regelmäßig für die SZ. In der ersten Folge erzählt er von seinen Vorbereitungen und dem Weg in die Arktis.

Von Alexander Schulz

Am 25. März hätten wir abreisen sollen - zum Forschungsschiff Polarstern, das seit Herbst 2019 festgefroren im Eis durch die Arktis driftet, alles war längst geplant. Aber dann kamen die Corona-bedingten Reisebeschränkungen. Schließlich musste alles storniert werden, toll, eine Woche vor der geplanten Abreise. Tags darauf schlossen die Kitas, von da an waren eine Fünfjährige und ich also zu zweit zuhause, während meine Frau weiter voll arbeiten ging.

So verging ein guter Monat, bis die Nachricht kam: Am 1. Mai geht es in die Quarantäne in Bremerhaven. Eilig begann ich meine Listen durchzugehen, "Was brauche ich?", "Was fehlt noch?". Ganz oben: zwei Ersatzteile für eines der Messgeräte, die ich in der Arktis betreuen werde - es war kürzlich kaputt gegangen. Es handelt sich dabei um eine Temperaturmessung mit Glasfasern: Sie werden an zehn Meter hohe Masten oder Fesselballons gehängt. So bekommt man ein vertikales Temperaturprofil der Luft. Diese Temperaturschichtung hat Einfluss auf den Energieaustausch zwischen Eisoberfläche und der Atmosphäre.

Alexander Schulz, 37, ist Physiker am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Bis Ende Juli nimmt er an der Mosaic-Expedition teil und berichtet in loser Folge für die SZ. (Foto: Alfred-Wegener-Institut (Awi)/Alfred-Wegener-Institut (Awi))

Aber würden die Teile rechtzeitig kommen, aus England? Schnell den Hersteller kontaktiert und die Dringlichkeit erklärt: ab Mitte Mai wäre es zu spät, niemand liefert ins Packeis der Arktis. Man werde es versuchen, war die Antwort. Puh, gute Nachrichten! Am 1. Mai um 12 Uhr begann im Hotel in Bremerhaven die Einzelquarantäne: Tschüss, Außenwelt. Nun beschränkte sich der Bewegungsradius eines jeden von uns rund 100 Teilnehmern des vierten Fahrtabschnitts auf exakt ein Hotelzimmer, Mahlzeiten wurden vor die Tür gestellt. Am Nachmittag dann der erste Corona-Test-Abstrich durch vollständig vermummte Mediziner. Tür wieder zu.

Nachdem auch ein zweiter Test bei allen negativ war, durften wir nach einer knappen Woche die Zimmer verlassen. Nun konnte ich den Kollegen aus 1,50 Meter Abstand "hallo" sagen. So vergingen die verbleibenden Tage rasant unter Gesprächen, Mails und vor allem: der Lieferung meiner Ersatzteile. Übungen mit dem Erste-Hilfe-Equipment gab es auch: Ich war kurz in einer "Hibler-Packung" eingewickelt, einer Rolle aus Schlafsack, Iso-Matte, Rettungsdecke und Biwak-Zeltplanen-Sack, ein Tunnelzelt bauten wir im Hotelflur auf. Schließlich lautet eine Regel auf jeder Expedition: "Kenne deine Ausrüstung!" Nun sind wir bereits unterwegs, per Schiff. Die Polarstern kommt uns entgegen, so dass der Mannschaftsaustausch ohne zusätzliche Eisbrecher auf hoher See stattfinden kann. Dann geht es auf der Polarstern zurück ins Eis, und unser Expeditionsabschnitt beginnt.

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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