Das sommerliche Schmelzen des Packeises am Nordpol ist seit Jahren zur Rekordjagd geworden. 2011 gab es ein Unentschieden, die Ausdehnung der Eiskappe war auf ähnliche Werte wie 2007 gefallen. Damit setzt sich ein im historischen Vergleich beispielloser Trend fort, wie ein internationales Forscherteam zeigt: So stark wie zurzeit ist die Eisfläche seit 1450 Jahren nicht geschrumpft ( Nature, Bd. 479, S. 509, 2011).
Die Forscher um Christophe Kinnard von einem Forschungszentrum im chilenischen La Serena haben komplizierte Statistik angewandt, um zu dieser Aussage zu kommen. Schließlich gibt es erst seit kurzem Satelliten, die die gesamte Eisfläche vermessen. Die Forscher haben sich etlicher Hilfsgrößen bedient. Vor allem sind dies Eisbohrkerne, die Luftproben früherer Jahre eingeschlossen haben, aber auch Sedimente aus Seen und Baumringe.
Alle enthalten Informationen über frühere Temperaturen. Mit diesem heterogenen Datensatz haben die Forscher zunächst Eis-Werte aus den Jahren 1870 bis 1995 nachgestellt, dann ihre derart geeichte Methode auf frühere Zeiten bis ins Jahr 561 angewandt.
Die entstandene Kurve zeigt einige Einschnitte - hier war die Eisfläche in der Vergangenheit stark gefallen. Zuerst um 640, dann um die Jahrtausendwende und noch einmal um 1650. In solchen Epochen war die Eisfläche ähnlich schnell zurückgegangen wie in der Gegenwart, aber niemals so viele Jahre in Folge; niemals war sie so sehr geschrumpft.
Die Vorgehensweise, die Vergangenheit anhand von Hilfsgrößen zu rekonstruieren, ist in der Wissenschaft etabliert. Aber die komplizierte Analyse bietet oft Anlass zu Kritik.
Als eine solche Rekonstruktion das erste Mal für die globalen Temperaturen gemacht wurde, entspann sich ein hässlicher Streit zwischen Forschern und Kritikern. Er dauert bis heute an, obwohl die wichtigsten Ergebnisse der Pionier-Studie längst von anderen Forschern bestätigt wurden.