Archäologie - Großvargula:Grabfeld entdeckt: Waffen, Schmuck und Anstöße zum Umdenken

Archäologie
Christian Tannhäuser (r), Gebietsreferent, erläutert die archäologische Ausgrabung. Foto: Michael Reichel/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Großvargula (dpa/th) - Funde aus einem frühmittelalterlichen Grabfeld im Unstrut-Hainich-Kreis haben Archäologen angeregt, die Thüringer Geschichtsschreibung zu überdenken. "Wir müssen bisherige Forschungsergebnisse etwas relativieren, hier hat sich Neues ergeben und wir müssen die Geschichte vermutlich neu beurteilen", sagte Christian Tannhäuser. Der Grabungsleiter ist Mitarbeiter des Thüringer Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie. Das Amt stellte am Donnerstag erste Erkenntnisse und Fundstücke aus einem frühmittelalterlichen Grabfeld bei Großvargula vor.

Die Anlage stamme aus der Merowingerzeit im 7. Jahrhundert nach Christi Geburt, erklärte Tannhäuser. Es handle sich vermutlich um die Bestattungsstätte einer dörflichen, landwirtschaftlich geprägten Siedlung, die sich damals in der Nähe befand. Etwa anhand der Grabbeigaben lasse sich eine soziale Differenzierung erkennen. Von den etwa 40 Gräbern seien vier Stück reich ausgestattet worden.

"Wir sind immer davon ausgegangen, dass nach der Schlacht an der Unstrut 531, als das Thüringer Reich durch die Franken erobert worden war, Adel aus dem fränkischen Reich die Thüringer verdrängte", sagte Tannhäuser. Die Funde nun deuteten aber daraufhin, dass sich einige mit den neuen Herren arrangierten.

In drei Gräbern von Männern seien vollständige Waffenausrüstungen gefunden worden. Langschwerte, Lanzen, Schilder und mehr befinden sich darunter, wie Tannhäuser sagte. Auch eine Frauenbestattung sei dabei etwa besonders mit Schmuck bedacht worden. In den restlichen Gräbern seien Alltagsgegenstände wie Kämme, Messer und Trinkgefäße zu Tage gefördert worden. Tierknochen von Schafen, Ziegen, Rinder seien auch entdeckt worden.

Spannend sei zudem, dass in den etwa 40 Grabanlagen wohl 60 Leichen bestattet worden waren, so Tannhäuser. "Es gibt dort aber weder einen räumlichen noch einen geologischen Grund dazu, Gräber wieder zu öffnen und weitere Tote dort zu bestatten." Es sei denkbar, dass Familienverbände dort beerdigt wurden. "Das untersuchen wir gerade."

Die Funde - sowohl die Skelette als auch die Metallbeigaben - seien unter anderem dank des kalkhaltigen Untergrunds in einem guten Zustand. Zudem liegen die Gräber laut Tannhäuser relativ tief unter der Erdoberfläche, was sie vor Einwirkungen etwa aus der Landwirtschaft schützte. Trotzdem sei es eine Mammutaufgabe, die Fundstücke zu restaurieren.

Das Landesamt hatte im vergangenen Jahr mit den Ausgrabungen begonnen, die nun bald abgeschlossen werden sollen. Durch den Acker soll eine Wasserleitung gelegt werden. Weil den Experten vom Landesamt aber durch Akten bekannt war, dass sich in der Nähe ein Gräberfeld aus der römischen Kaiserzeit im 2. oder 3. Jahrhundert befunden hatte, wollten sie die Fläche vor Baubeginn untersuchen.

"Dass wir dann auf ein solches Gräberfeld gestoßen sind, war eine große Überraschung", sagte Tannhäuser, der bislang ohnehin ein glückliches Händchen bei Grabungen bewies hat. Er war auch Grabungsleiter bei einem Gräberfeld von Boilstädt bei Gotha, wo vor wenigen Jahren zwei reich ausgestattete Kriegergräber aus dem 6. Jahrhundert entdeckt worden sind.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: