Archäologie:Nahmen germanische Krieger Drogen vor dem Kampf?

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Die Schwarze Tollkirsche kann Rauschzustände auslösen. (Foto: IMAGO/S. Derder)

Das legt eine neue Studie nahe. Forscher interpretieren darin Funde von löffelförmigen Objekten in Nordeuropa als Werkzeuge zum Gebrauch von Rauschmitteln.

Von Victoria Gebler

Germanische Krieger haben sich womöglich vor Kämpfen mit pflanzlichen Stimulanzien aufgeputscht. Das legt eine Studie nahe, die in der Prähistorischen Zeitschrift erschienen ist. Die Biologinnen Anna Jarosz-Wilkołazka und Anna Rysiak von der Maria-Curie-Skłodowska-University in Lublin deuten darin zusammen mit dem Archäologen Andrzej Kokowski kleine Löffel, die sie in Nordeuropa gefunden haben, als Werkzeuge für den Gebrauch von Aufputschmitteln. Der Konsum solcher Mittel soll den Kriegern geholfen haben, ihre Angst zu überwinden und ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern.

Im antiken Griechenland und Rom ist der Gebrauch von Rauschmitteln gut dokumentiert. Aus antiken Quellen geht hervor, dass Kaiser Marcus Aurelius regelmäßig Mohnsaft, der Opium enthält, zu sich nahm. Auch durch archäologische Funde ist der Konsum von bewusstseinsverändernden Substanzen in der Antike belegt. So wurden in einem Gefäß aus ptolemäischer Zeit, das den ägyptischen Schutzgott Bes zeigt, Zersetzungsprodukte von psychotropen Substanzen gefunden.

Laut den polnischen Forschern gab es bislang aber keine Hinweise darauf, dass auch andere Volksgruppen solche anregenden Substanzen nutzten. Bisher ging man davon aus, dass germanische Stämme – die in antiken Quellen oft Barbaren genannt werden, eine Bezeichnung der Römer und Griechen für alle Nicht-Römer und Nicht-Griechen – nur Alkohol konsumierten. Bis jetzt.

Forscher deuten die Löffel als Dosierhilfen für Rauschmittel

Die Forscher haben 241 kleine Objekte aus 116 Fundorten im heutigen Deutschland, Polen, Tschechien, Russland und Skandinavien kategorisiert, die aus der Zeit von etwa 50 bis 375 nach Christus stammen. Die Stiele der löffelartigen Gegenstände sind zwischen 40 und 70 Millimeter lang, die Laffen oder Schöpfteile haben einen Durchmesser von zehn bis 20 Millimetern. Damit erinnern viele der Artefakte an moderne Teelöffel.

Zwei Beispiele für löffelartige Artefakte. Nur was die Krieger damit zu sich genommen haben, lässt sich nicht sagen. (Foto: Anna Jarosz-WilkoÅ‚azka et al., Praehistorische Zeitschrift)

Der am häufigsten gefundene Löffeltyp war wohl mit einem Riemen am Gürtel befestigt, der so lang war, dass er bis auf Gesichtshöhe angehoben werden konnte. Diese Geräte wurden meist zusammen mit anderen Gegenständen gefunden, die der Kriegsführung dienten. Daraus schließen die Autoren der Studie, dass die Löffel Teil einer Kriegsausrüstung gewesen sein könnten.

Da im Laufe der Geschichte verschiedene Arten von Stimulanzien eingesetzt wurden, um die Leistungsfähigkeit und psychische Belastbarkeit von Soldaten in Kriegssituationen zu steigern, gehen die Forscher davon aus, dass dies in der Antike nicht anders war. Sie vermuten, dass die Löffel eine Art schnelle Dosierhilfe für Rauschmittel im Kampf waren, um die gewünschte Wirkung ohne die Gefahr einer Überdosierung zu erreichen.

Da es in den antiken Quellen keine Hinweise auf den Gebrauch von Stimulanzien bei den Germanen gibt, gingen die Forscher der Frage nach, welche Pflanzen mit besonderer Wirkung damals in Nordeuropa zur Verfügung standen. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass die Germanen mit großer Wahrscheinlichkeit Zugang zu Mohn, Hopfen, Hanf, Tollkirsche und einigen Pilzen hatten, denen eine stimulierende Wirkung nachgesagt wird. Die Pflanzen oder Pilze hätten entweder in flüssiger Form, vor allem in Alkohol gelöst, oder als Pulver eingenommen werden können. Rückstände solcher Mittel wurden bislang jedoch nicht gefunden und auch sonst keine Hinweise auf den gezielten Rauschmitteleinsatz.

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