Eigene Menschenart:Wie die "Hobbits" gelebt haben

Eigene Menschenart: Homo floresiensis (künstlerische Darstellung).

Homo floresiensis (künstlerische Darstellung).

(Foto: AFP)

1,06 Meter groß, 30 Kilo schwer: Stück für Stück fügt sich das Puzzle um die kleinen Menschen von Flores zusammen.

Von Hubert Filser

Seit Paläoanthropologen um Michael Morwood im Jahr 2003 in der Höhle Liang Bua erstmals auf Überreste eines kleinwüchsigen Wesens mit großen Füßen gestoßen sind, geben ihnen die Hobbit-Menschen von Flores Rätsel auf. Wie konnte dieser wundersame Homo floresiensis - so nannte Morwood die neue Art - mit einem Gehirn von gerade einmal der Größe einer Grapefruit durchaus aufwendige Werkzeuge herstellen? Und wie und wann sind seine Vorfahren auf die indonesische Insel gekommen?

Lange Zeit bezweifelten Kollegen des neuseeländischen Paläoanthropologen auch, ob es überhaupt eine neue Art war, die man da in dieser feuchten Höhle entdeckt hatte, und nicht etwa kranke Individuen des Homo erectus.

Zwei neue Arbeiten im Fachmagazin Nature setzen nun einige Puzzlestücke zu einem größeren Bild zusammen. Demnach lebten auf der Insel Flores seit mindestens 700 000 Jahren solch kleine Menschen mit einer Größe von durchschnittlich 1,06 Metern und einem Gewicht von unter 30 Kilogramm. Vermutlich stammt der Homo floresiensis vom Homo erectus ab, der deutlich größer und schwerer war und auch ein größeres Gehirn hatte. In der Isolation der Insel entwickelte sich wohl die kleinere Art. Dieses Phänomen der "Inselverzwergung" gibt es auch bei anderen Säugetieren, wenn sie auf Inseln leben, auf denen kaum Feinde sie bedrohen und die Nahrung eher knapp ist.

Vermutlich haben die kleinen Menschen Riesenratten gejagt

Vor zwei Jahren hatten die Paläoanthropologen 75 Kilometer von Liang Bua entfernt im Zentrum der Insel nahe Mata Menge die Überreste von drei weiteren Flores-Menschen entdeckt. Mit ihrem hohen Alter von mindestens 700 000 Jahren sind sie die bislang ältesten menschlichen Fossilien auf Flores. Die drei Zwergwesen ähnelten in vielen körperlichen Merkmalen den Höhlenbewohnern von Liang Bua, ihre Unterkiefer sind nahezu identisch geformt, nur etwas kleiner, der erste Backenzahn ist noch primitiver aufgebaut.

Auch die Lebenswelt der Hobbits haben die Forscher rekonstruiert. Vermutlich sind die kleinen Wesen durch eine heiße, trockene Savannen- und Graslandschaft gelaufen und haben Riesenratten gejagt. Manchmal dürften sie auch Zwergelefanten begegnet sein, die mit 1,20 Meter Schulterhöhe kaum größer waren als sie selbst. Viel wichtiger ist für die Forscher jedoch die exakte zeitliche Einordnung der Fossilien. Bei schlecht erhaltenen oder sehr alten Fossilien bestimmen die Anthropologen in der Regel das Alter der umgebenden Bodenschichten. Jüngst gab es da schon bei den Höhlenmenschen von Liang Bua Aufregung. Forscher hatten die als erste gefundene Zwergenfrau zunächst auf 18 000 Jahre datiert - damit hätte sie zeitgleich mit den modernen Menschen gelebt. Dann mussten sie ihre Zahlen korrigieren, auf 60 000 bis 100 000 Jahre vor heute. Es gab wohl eine geologische Störung am Fundort der Knochen, die die zeitliche Einordnung erschwerte.

Exakt datiert

Die neuen Funde aus Mata Menge haben Anthropologen um den Australier Adam Brumm nun exakt datiert. Auf Basis dieser Altersdaten interpretierten sie die Besiedlungsgeschichte der Region. Die Form der Zähne und des Unterkiefers ähnelt stark dem Homo erectus, der Afrika vor etwa zwei Millionen Jahren verließ, Richtung Asien wanderte und vor 1,5 Millionen Jahren auf der indonesischen Insel Java auftauchte. Unklar ist, wie Frühmenschen überhaupt auf die Inseln gelangt sind - vielleicht auf Treibgut nach einem Tsunami. Und ob es evolutionär betrachtet überhaupt realistisch ist, dass sich Gehirne derart verkleinern und der Körper von 1,65 Meter auf etwa einen Meter schrumpft.

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