Archäologie:Schatz aus dem Acker

Archäologie: Vermutlich sind diese Schmuckstücke über tausend Jahre alt.

Vermutlich sind diese Schmuckstücke über tausend Jahre alt.

(Foto: Archäologisches Museum Veliki Preslav, Bulgarien; S.Steidl/RGZM)
  • Ende der 1970er Jahre zogen Bauern den "Schatz von Preslav" aus einem Acker nahe dem ehemaligen Zarenpalast. Nach fast 1000 Jahren unter der Erde kamen die goldenen Schmuckstücke wieder ans Tageslicht.
  • Nach eingehender Untersuchung sind sich Forscher jetzt sicher, dass der Schmuck sehr wahrscheinlich in den kaiserlichen byzantinischen Werkstätten gefertigt wurde - der Schmuck war wie gemacht für eine prachtvolle königliche Hochzeit.
  • Die Stücke sind derzeit im Pariser Louvre in einer Ausstellung zu sehen.

Von Hubert Filser

Die fast durchsichtigen Steine schimmerten auf dem Kleid der Prinzessin, manche eher weißlich, andere violett oder zartrosa. Sie passten perfekt zu den sieben leuchtenden Emaille-Anhängern mit den kleinen Vögeln und zum Bild der Jungfrau Maria in der Mitte, die gütig ihre Hände ausbreitete. Noch prächtiger war die breite, goldene Halskette selbst, in die weitere Emailbilder eingearbeitet waren. Außerdem trug Prinzessin Maria-Irene goldene, perlenbesetzte Ohrringe. Sie muss einen grazilen Hals gehabt haben, denn die Kette misst nur gut zehn Zentimeter im Durchmesser. Auch ihren Gemahl Peter schmückten Ringe und Anhänger aus Edelsteinen und aufs Gewand genähte goldene Applikationen.

So in etwa stellen sich Forscher die königliche Vermählung im Jahr 927 vor, als der bulgarische Zar Peter I. die byzantinische Prinzessin Maria-Irene im Palast von Preslav zum Altar führte. Nun konnten Archäologen, Restauratoren und Naturwissenschaftler des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz (RGZM) in einer deutsch-bulgarischen Kooperation unter Leitung von Falko Daim den Schmuck des Brautpaares erstmals umfassend untersuchen. Die Stücke, die offiziell "Schatz von Preslav" heißen, sind derzeit im Pariser Louvre in einer Ausstellung zu sehen. Die Ergebnisse der von der Gerda-Henkel-Stiftung unterstützten Forschung werden demnächst auf einer Konferenz in Paris vorgestellt.

Untersucht wurde, welche Materialien und Legierungen verwendet worden sind, wie die Handwerker vor 1000 Jahren Emaille fertigten und welche Techniken die Goldschmiede nutzten. Die Wissenschaftler fanden beispielsweise heraus, dass der Goldanteil bei weit mehr als 90 Prozent liegt. Die Qualität der Goldschmiedearbeiten sei insgesamt "sehr hoch", sagt Matthias Heinzel, Leiter der Goldschmiedewerkstatt am RGZM. In Ösen etwa war der Silberanteil höher, um das Material härter zu machen. Insgesamt habe man bereits Techniken wie Bajonettverschlüsse verwendet, die andernorts in Europa noch nicht üblich waren. All dies sind Indizien für die hohe Qualität der Stücke. Aufgrund der handwerklich exzellenten Machart können die Mainzer Forscher sagen, dass der Schmuck sehr wahrscheinlich in den kaiserlichen byzantinischen Werkstätten gefertigt wurde - der Schmuck war wie gemacht für eine prachtvolle königliche Hochzeit.

Mit Röntgenfluoreszenz-Geräten konnten die Wissenschaftler auch die chemische Zusammensetzung der Steine bestimmen. Fast alle sind Edelsteine, Smaragde, Granate, Rubine, und nicht, wie zuvor gedacht, teilweise gefärbte Glassteine. Hinzu kommen echte Perlen von der beachtlichen Größe von fünf Millimetern. "Die Größe ist absolut außergewöhnlich", so Susanne Greiff, Leiterin des Bereichs "Naturwissenschaftliche Archäologie". Der Wert ist sicherlich noch höher einzustufen als bisher angenommen.

Zur damaligen Zeit bezog man Granate und Rubine meist aus Indien und Sri Lanka, Smaragde auch aus Ägypten. Es gab offenbar bereits im frühen Mittelalter ein weit verzweigtes Handelsnetz. Dies zeigt möglicherweise auch ein weiteres Detail. Bei den durchsichtigen Steinen am Halsschmuck handelt es sich um Fluorite. "Flussspat wurde fast nie im byzantinischen Mittelalter verwendet", sagt die Mainzer Archäologin Antje Bosselmann-Ruickbie, Expertin für mittelalterlichen Goldschmuck. "Ich habe ihn noch nie an einem byzantinischen Schmuck gesehen."

Die Herkunft der Fluorite ist ungeklärt. Auch technologisch gab es Überraschungen. Für das Emaille mit seinen außergewöhnlich kräftigen Farben wurden ganz unterschiedliche Glasmischungen verwendet, je nachdem, welche Farbwirkung erzielt werden sollte. An einem Ohrring fanden die Mainzer Forscher transluzides, also durchscheinendes Emaille, mit einem ungewöhnlichen kanariengelben Farbton. Wie man diese Farbe herstellt, ist noch ein Rätsel. Auch das lichtundurchlässige Emaille ist interessant, nutzten die byzantinischen Handwerker doch anders als ihre westeuropäische Kollegen zu dieser Zeit nicht Zinn, sondern das chemische Element Antimon. "Diese Technik basiert auf einer römischen Tradition, die offenbar in Byzanz fortentwickelt wurde", sagt Bosselmann-Ruickbie.

Die byzantinische Prinzessin Maria-Irene trug den Schmuck bei ihrer Hochzeit

Aufgetaucht waren die wertvollen Stücke beim Pflügen, als die Bauern von Preslav Ende der 1970er-Jahre von Pferden auf Traktoren umstellten und die Pflugscharen den Boden deshalb gut zwanzig Zentimeter tiefer aufwühlten. Auf einem Acker nahe dem ehemaligen Zarenpalast erfasste ein Pflug die Reste eines Ofens und die Beschläge einer Holzkiste - und holte dabei auch ein paar goldene Schmuckstücke nach ziemlich genau 1000 Jahren unter der Erde wieder ans Tageslicht.

Es war ein Glücksfund. In der Folge gruben bulgarische Archäologen das Areal großräumig aus und sicherten den gesamten Schmuck. Der Schatz von Preslav ist damit einer der wenigen historischen Goldschätze weltweit, die eine gesicherte Herkunft haben, weil er nicht wie viele andere wertvolle Funde über dubiose Kanäle im Kunsthandel gelandet ist. So wie zwei kleinere Funde von byzantinischem Schmuck aus Kreta oder vergleichbare Ohrringe aus Thessaloniki. "Bei solchen Stücken können wir keinen Kontext mehr erforschen", sagt Bosselmann-Ruickbie.

Mehr als 180 Objekte fanden die Archäologen in Preslav, neben dem Halsschmuck auch Ohrringe, Goldringe, spindelförmige Anhänger, goldene Kugelknöpfe, Silberlöffel, Silbermünzen, Diademplatten und ein goldgefasstes Bergkristallsiegel mit einer hübschen christlichen Verkündigungsszene darauf. Alles in allem hatte der Goldschatz ein Gewicht von 640 Gramm und den reinen Metallwert eines "großen Gebäudes" oder Palastes, dies verraten Vergleichsquellen wie das wohl im Jahr 912 geschriebene Eparchenbuch des Stadtpräfekten von Konstantinopel, erzählt Bosselmann-Ruickbie. Der Schatz von Preslav ist insgesamt der bedeutendste Schmuckfund des byzantinischen Mittelalters.

So ist auch zu verstehen, wie groß die Aufregung in Preslav war. "Für Bulgarien sind diese Gegenstände eine Legende", sagt Stanislav Stanilov von der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. Heute ist Weliki Preslav eine eher unbedeutende Kleinstadt, knapp hundert Kilometer von der bulgarischen Schwarzmeerküste entfernt. Doch von 893 bis 971 war Preslav die Hauptstadt des ersten bulgarischen Reiches, hier haben Mönche die kyrillische Schrift erfunden, eine wichtige Voraussetzung dafür, das Christentum bei den slawischen Völkern zunächst im Balkanraum und später in den Weiten Russlands einzuführen und den Einfluss auszudehnen.

Während eines Angriffs versteckte womöglich ein Diener den Schatz im Ofen

Es war eine Zeit der Umbrüche. Im frühen Mittelalter beherrschte Bulgarien den Südosten Europas und war sogar kurz davor, das mächtige oströmische Kaiserreich Byzanz mit der Hauptstadt Konstantinopel unter seine Kontrolle zu bringen. Damit habe möglicherweise auch die Hochzeit von Maria zu tun gehabt, die anlässlich der Vermählung den Beinamen "Irene" bekam, was Frieden bedeutet.

Mit der Hochzeit eines Familienmitglieds wollte der Kaiser die aufstrebenden bulgarischen Nachbarn besänftigen, ein unter diplomatischen Gesichtspunkten in Byzanz damals eher unübliches Vorgehen und gleichzeitig ein Zeichen für den großen Druck, unter dem Byzanz stand. Der Schatz spielte damit wohl eine Schlüsselrolle in einer politisch aufgewühlten Situation. "Der Schmuck war eine Art Leistungsschau für Byzanz", sagt Bosselmann-Ruickbie, ein Symbol für die Macht des Reichs. Es gibt auch Spekulationen, dass die junge Prinzessin eine Spionin gewesen sein könnte und Informationen aus dem Zarenreich bei ihren auffällig häufigen Besuchen in Konstantinopel übermittelte.

Noch sind nicht alle Details aus den naturwissenschaftlichen Untersuchungen der Mainzer Forscher veröffentlicht, die Auswertungen dauern noch an. Geklärt zu sein scheint aber die wichtige Frage der Datierung. So enthielt der Fund Silbermünzen der byzantinischen Kaiser Konstantin VII. und Romanos II., die gemeinsam zwischen 945 und 959 regiert haben. Zahlreiche Indizien sprechen dafür, dass der Schmuck tatsächlich als Geschenk des byzantinischen Kaisers ans Brautpaar nach Bulgarien kam, der Fund also mit ziemlicher Sicherheit dem historischen Ereignis im Jahr 927 zugeordnet werden kann. "Das herauszufinden, war methodische Detektivarbeit", sagt Antje Bosselmann-Ruickbie.

Die Forscher gehen davon aus, dass Teile des königlichen Schatzes hektisch in Sicherheit gebracht wurden, als das bulgarische Reich Ende des 10. Jahrhunderts von Byzanz bedroht wurde. Archäologen fanden auch an anderer Stelle in der Nähe des Stadttores etwa eine goldene Patene, ein rituelles Gefäß. Den Schmuck steckte wohl ein Diener, so vermuten die Archäologen, hastig in eine Holzkiste, die er dann im Ofen einer Hütte versteckte, als Preslav im Jahre 971 durch den byzantinischen Kaiser Johannes I. Tzimiskes angegriffen, geplündert und zerstört wurde. Reste von Metallbeschlägen einer Holzkiste lagen nämlich neben dem Schmuck in der Erde. Die Hochzeit von Maria-Irene und Zar Peter verschaffte der Region also nur eine Atempause von einem halben Jahrhundert.

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