Archäologie:Industrialisierung in der Bronzezeit

Archäologie: So könnte eine Töpferei im bronzezeitlichen Griechenland ausgesehen haben, betrieben mit Kohleöfen.

So könnte eine Töpferei im bronzezeitlichen Griechenland ausgesehen haben, betrieben mit Kohleöfen.

(Foto: Nikola Nevenov)

Archäologen haben in Griechenland den frühesten Beleg für die Verwendung von Braunkohle entdeckt. Schon vor mehr als 3000 Jahren ermöglichte der Brennstoff wohl eine Art Massenproduktion.

Von Hans Holzhaider

Tiryns: eine gewaltige Burganlage auf einem 300 Meter langen und bis zu 30 Meter hohen Kalksteinfelsen nahe der Hafenstadt Nauplion auf dem Peloponnes. Ihre Mauern wurden der Sage nach von den Kyklopen erbaut. Hier residierte einst der König Eurystheus, ein Enkel des Perseus. Er war es, der Herakles die zehn Arbeiten auferlegte.

Doch beeindruckend ist auch, was im Inneren der Mauern geschah. Hier, und in der Hafenstadt Chania auf Kreta, wurde zum ersten Mal im östlichen Mittelmeerraum Braunkohle als Brennstoff verwendet. Den Beweis dafür entdeckten Wissenschaftler nun bei der Untersuchung der Skelette von 22 Menschen, die in der späten Bronzezeit, dem 14. und 13. vorchristlichen Jahrhundert, in Tiryns und Chania beigesetzt wurden. Ein Team um den Münchner Archäologen Philipp Stockhammer fand chemische Spuren der Braunkohleverbrennung im Zahnstein der vor mehr als 3000 Jahren verstorbenen Menschen.

Eigentlich wollten die Wissenschaftler die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung im östlichen Mittelmeerraum erforschen. Sie hatten schon überraschende Entdeckungen gemacht: So wiesen sie etwa im Zahnstein von Skelettfunden in Israel Spuren von Bananen, Sojabohnen und Kurkuma nach, die vermutlich aus Indien oder sogar aus China stammten. Zahnstein, von modernen Menschen als lästige Ablagerung empfunden, ist für Archäologen eine wahre Fundgrube. Da er schon zu Lebzeiten des Menschen versteinert, speichert Zahnstein Eiweißfragmente, Fettmoleküle und Pflanzenreste, aus denen sich nicht nur die Ernährung, sondern auch die Krankheitsgeschichte einer Person rekonstruieren lässt. Und, wie sich jetzt gezeigt hat, auch Bestandteile der Luft, die der Mensch eingeatmet hat. "Wir können also heute sagen, was in den Herdstellen und Öfen verbrannt wurde, vor denen die Menschen damals saßen", sagt Stockhammer.

Der Brennstoffbedarf führte zur Entwaldung weiter Gebiete

Nicht überraschend ist, dass sich in den Zahnsteinproben aus der gesamten Region chemische Spuren von Kiefern-, Pinien- und Eichenholz fanden, also von Bäumen, die noch heute dort wachsen. Einige Menschen hatten auch den Rauch eingeatmet, der bei der Verbrennung von getrocknetem Tierdung entsteht. Aber bei elf der 22 Individuen, die aus der mykenischen Burg von Tiryns und der kretischen Hafenstadt Chania stammten, fand sich im Zahnstein auch ganz klar die chemische Signatur von Braunkohle. Sie konnte sogar spezifischen Fundstätten zugeordnet werden. So stammte die in Tiryns verbrannte Braunkohle aus einer Lagerstätte in der Nähe von Olympia, gut 150 Kilometer westlich von Tiryns.

Bisher lieferte die Schrift "Über die Steine" des griechischen Philosophen Theophrastos im 3. Jahrhundert vor Christus den frühesten Hinweis auf die Nutzung von Braunkohle. "Nichts hatte bislang darauf hingedeutet, dass man bereits in der Bronzezeit Braunkohle nutzte", sagt Philipp Stockhammer.

Wahrscheinlich ermöglichte erst die Nutzung dieses fossilen Brennstoffes den antiken Bewohnern des Peloponnes die nahezu industrielle Massenfertigung von Keramikgefäßen, vermuten die Wissenschaftler. Tiryns war ein Zentrum der Keramikherstellung, die weniger für den eigenen Bedarf, sondern vor allem für den Export in den ganzen Mittelmeerraum betrieben wurde. Keramikwaren aus dem Umfeld von Tiryns und Mykene wurden von Spanien bis Syrien gefunden. Vermutlich wurden jährlich Zehntausende Gefäße hergestellt und per Schiff exportiert. Der Brennstoffbedarf war so hoch, dass schon damals weite Gebiete fast vollständig entwaldet waren.

Wer die Menschen waren, die so deutliche Spuren der Braunkohleverbrennung aufwiesen, lässt sich nicht mehr sicher feststellen. Es waren Männer und Frauen; einige zeigten Anzeichen schwerer körperlicher Arbeit, bei zwei Personen fanden sich auch Hinweise auf eine chronische Lungenentzündung. "Wir können uns vorstellen, dass es männliche und weibliche Handwerker waren, die jedenfalls in der Nähe von Feuerstätten arbeiteten, die mit Braunkohle betrieben wurden", sagt Philipp Stockhammer.

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