Appell der Forschung:Die Erde heizt sich bedrohlich schnell auf

Kurz vor dem Klimagipfel warnen führende Forscher: Die Durchschnittstemperatur könnte massiv steigen - wenn der Mensch weitermacht wie bisher.

Christopher Schrader

Der Klimawandel wird viel schneller dramatische Folgen haben als bislang angenommen. Dies erklärten am Dienstag weltweit führende Klimaforscher in einem Memorandum, zwölf Tage vor Beginn des Klimagipfels in Kopenhagen. Die Wissenschaftler fordern, den Ausstoß von Treibhausgasen rasch zu senken. Die US-Regierung gab bekannt, sie werde in Kopenhagen entgegen bisheriger Erwartungen ein Ziel für eigene Emissionssenkungen nennen.

Kohlendioxid-Ausstoß, getty

Die Treibhausgas-Emissionen müssten ab spätestens 2020 schnell abnehmen, um die Klimakatastrophe abzuwenden, schreiben die Forscher.

(Foto: Foto: dpa)

In ihrer "Kopenhagen-Diagnose" zeichnen die 26 Forscher aus acht Ländern, darunter drei Deutsche, ein bedrohlicheres Bild als der Weltklimarat IPCC in seinem Report von 2007. "Wo neuere Studien die Unsicherheiten in jenem Bericht aufgelöst haben, zeigt sich, dass sich das Klima schneller verändert und empfindlicher ist als wir angenommen haben", heißt es in dem Aufruf.

Die Forscher belegen das mit vielen neuen Fakten. Der Meeresspiegel könne bis zum Jahr 2100 um gut einen Meter ansteigen, doppelt so stark wie vom IPCC angenommen. Das Meereis am Nordpol schwinde deutlich schneller als erwartet. Alle Jahre dieses Jahrzehnts gehörten zu den zehn wärmsten in den Aufzeichnungen.

Die Treibhausgas-Emissionen müssten zwischen 2015 und 2020 ihr Maximum erreichen und dann schnell abnehmen, schreiben die Forscher. Nur dann könne das international anerkannte Ziel eingehalten werden, die Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Ansonsten könne die weltweite Durchschnittstemperatur bis 2100 um bis zu sieben Grad steigen.

"Dies ist der letzte wissenschaftliche Aufruf an die Unterhändler von 192 Staaten, den Klimaschutz-Zug in Kopenhagen nicht zu verpassen", sagte Hans Joachim Schellnhuber, Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und einer der 26 Wissenschaftler. Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik von der ETH Zürich, ergänzte: "Das Klimasystem hält uns keinen Rettungsanker bereit. Den müssen wir selber auswerfen, indem wir die Emissionen von CO2 und den anderen Treibhausgasen möglichst schnell reduzieren."

Ähnlich äußerten sich drei führende britische Forschungsorganisationen: "Wir können nicht genug betonen, wie stark die Beweise der Wissenschaft sind, die den Ruf nach sofortigem Handeln begründen", heißt es in dem unter anderem von der Royal Society verabschiedeten Aufruf. Ebenfalls am Dienstag warnte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) in Köln, Kinder hätten unter dem Klimawandel besonders zu leiden. Die Zahl der pro Jahr von klimabedingten Naturkatastrophen betroffenen Mädchen und Jungen könne sich bis 2015 auf 375 Millionen mehr als verdoppeln.

Die Erfolgsaussichten des Gipfeltreffens in Kopenhagen sind nach einer Ankündigung aus Washington offenbar gewachsen. US-Präsident Barack Obama werde "in den kommenden Tagen" verkünden, welche Zusage zur Reduktion der Treibhausgase seine Regierung in Kopenhagen machen wolle, sagte ein hoher Regierungsbeamter am Montag.

Bisher hieß es, die US-Delegation könne mit Rücksicht auf die beiden Kammern des Kongresses, wo verschiedene Versionen eines Klimaschutzgesetzes feststecken, keine konkreten Zahlen nennen. Zu erwarten ist angesichts der Gesetzesentwürfe eine Senkung des amerikanischen Ausstoßes bis zum Jahr 2020 um wenige Prozent unter die Werte von 1990. Das wäre eine große Anstrengung, aber wenig im internationalen Vergleich. Die Europäische Union hat mindestens 20 Prozent Reduktion versprochen. Der IPCC hält für Industriestaaten Senkungen von 25 bis 40 Prozent für nötig.

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