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Antike Schiffe:Die alten Römer auf hoher See

Riskierten die Römer auf See ihr Leben? Nein, sagen Forscher der TU Berlin. Anhand eines Wracks stellen sie fest: Schiffe waren einst ähnlich sicher wie heutige Frachter.

Von Patrick Illinger

Setzten die Matrosen der Antike ihr Leben aufs Spiel, sobald sie in See stachen? Keineswegs, sagen nun zwei Wissenschaftler der TU Berlin. Die zu Zeiten des Römischen Reiches gebauten Handelsschiffe waren demnach stabil und seetüchtig, durchaus mit heutigen Schiffen vergleichbar. Sicher, sie hatten keine Gyroskope und Stabilisatoren, doch war ihre Bauart geeignet, auch starken Seegang abzuwettern.

Zu diesem Schluss kommen der TU-Historiker Thomas Kirstein sowie der Schiffbauexperte Sebastian Ritz, nachdem sie das Wrack von La Madrague de Giens untersucht haben. Das Schiff war zwischen 60 und 50 v. Chr. östlich von Toulon gesunken und 1967 von Marinetauchern gefunden worden. Es handelt sich um einen im Römischen Reich weit verbreiteten römischen Handelsschifftyp namens Ponto, 40 Meter lang und neun Meter breit und mit zwei Masten ausgestattet.

An diesem Schiff untersuchten die Wissenschaftler unter anderem mit einem Computermodell das Kenter- und Bewegungsverhalten. Sie kommen zu dem Schluss, dass eine ausgewogene Mischung aus Gewichtschwerpunkt und Form für große Stabilität sorgte. Tief im Rumpf wurden zudem Amphoren mit Öl verstaut, was den Schwerpunkt weiter absenkte.

Das Schiff von Madrague hätte auch den heutigen Anforderungen an die Schiffsstabilität, wie sie im International Code on Intact Stability festgelegt sind, genügt, erklären die TU-Forscher. Die Erkenntnis steht im Widerspruch zum Ansehen der Schifffahrt zu jener Zeit. Zahlreiche zeitgenössische Schriftsteller äußerten sich abschätzig, unter ihnen Lukrez, der es eine "verderbliche Kunst" nannte.

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Quelle:
SZ vom 24.05.2019
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