Antidepressiva:"Pfizer verschweigt Studiendaten"

Der Pharmahersteller Pfizer soll Studien über ein Antidepressivum zurückhalten. Damit nährt der Konzern Zweifel an der Wirksamkeit des Mittels.

Das Pharmaunternehmen Pfizer hält Arzneimittelprüfern zufolge Daten zu einem Mittel gegen Depressionen zurück. Auf diese Weise macht es der Konzern unmöglich, die Wirksamkeit des Medikaments zweifelsfrei zu beurteilen.

Antidepressiva: Hält Pfizer relevante Daten über ein Antidepressivum zurück?

Hält Pfizer relevante Daten über ein Antidepressivum zurück?

(Foto: Foto: dpa)

Belege für einen Nutzen könnten aus den vorliegenden Daten nicht abgeleitet werden, teilte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln mit. Pfizer wies die Vorwürfe als nicht nachvollziehbar zurück und kritisierte "überzogene Ausführungen des IQWiG".

Gibt es für ein Mittel keinen Nutzenbeleg, kann der Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen es letztlich aus dem Leistungskatalog der Kassen streichen. Bereits eine britische Studie von 2008 hatte ergeben, dass viele Antidepressiva bei den meisten Patienten kaum eine Wirkung haben.

Institutsleiter Peter T. Sawicki warf Pfizer "Verschweigen von Studiendaten" vor. Das Mittel Edronax mit dem Wirkstoff Reboxetin sei in mindestens 16 Studien getestet worden, von neun Studien fehlten jedoch die zentralen Informationen zur Bewertung. Dem Institut lagen eigenen Angaben zufolge nur Daten für etwa 1600 Patienten vor, obwohl an den Studien 3000 weitere Patienten teilgenommen hätten.

Ein Pfizer-Sprecher betonte: "Wir haben dem IQWiG ausreichend Daten zur Verfügung gestellt." Ein Zurückhalten von Studiendaten zum Nachteil von Ärzten und Patienten sei nicht erkennbar. Außerdem sei Edronax ein älteres Präparat, das nur noch bei einem kleinen Teil der Patienten eingesetzt werde.

Effekte nur bei schwerster Depression

Zu einem weiteren Antidepressivum - Mirtazapin des Herstellers Essex Pharma - stellt der IQWiG-Vorbericht heraus, dass es in Studien zwar einen Beleg für eine Besserung der Depression gegeben habe, aber die Aussichten auf Heilung nicht größer seien als unter Mitteln ohne Wirkstoff (Placebos).

Außerdem hätten Patienten die Behandlung oft wegen Nebenwirkungen abbrechen müssen. Möglicherweise seien auch dazu nicht alle Studien offengelegt worden. Bei einem weiteren Wirkstoff - Bupropion XL von GlaxoSmithKline - hätten sich unter vollständiger Datenbasis Nutzenbelege gefunden und keine Hinweise auf Schäden.

Das IQWiG kritisierte, auf bestehende freiwillige Vereinbarungen zur Datenübergabe sei kein Verlass. Die Hersteller müssten dazu verpflichtet werden.

Das IQWiG untersucht im Auftrag des Bundesausschusses oder des Bundesgesundheitsministeriums den Nutzen medizinischer Leistungen. Zu den nun vorgelegten vorläufigen Ergebnissen zu Antidepressiva können Stellungnahmen abgegeben werden. Der Abschlussbericht ist dann Grundlage für die Ausschuss-Entscheidungen.

Eine britische Studie von 2008 hatte ergeben, dass Antidepressiva der neuen Generation auf die meisten Menschen mit mittelschweren Depressionen keinen anderen Effekt haben als Placebos. Die Forscher der Universität Hull berichteten, Wirkung hätten die Medikamente nur bei einer sehr kleinen Gruppe von Patienten, die an schwersten Depressionen litten.

Die Wissenschaftler um Irving Kirsch hatten vier häufig verschriebene Medikamente untersucht, die unter anderem die Wirkstoffe Fluoxetin, Venlafaxin und Paroxetin enthielten.

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