Anti-Aging-Mittel:Jungbrunnen von der Osterinsel

Dank eines Bakterienextrakts von der Osterinsel wurden alte Mäuse noch viel älter - allerdings zu einem hohen Preis.

Werner Bartens

Der lang ersehnte Menschheitstraum vom Jungbrunnen könnte womöglich in Erfüllung gehen - mit Hilfe einer Substanz von der Osterinsel im Pazifik. Das vermuten zumindest amerikanische Wissenschaftler, die offenbar ein Mittel gefunden haben, welches das Leben von Mäusen beträchtlich verlängert.

Der Stoff heißt Rapamycin und wurde erstmalig in den 1970er Jahren auf dem für seine kolossalen Steinskulpturen bekannten Eiland im Südostpazifik gefunden. Rapamycin wird vom Bakterienstamm der Streptomyceten produziert und ist benannt worden in Anlehnung an den einheimischen Namen der Osterinsel, Rapa Nui. Im Fachmagazin Nature (online) berichten die Forscher von der erstaunlichen Wirkung des Medikaments auf die Lebenserwartung.

Biochemiker und Altersforscher um David Harrison vom Jackson Laboratory in Maine hatten Mäusen Rapamycin in einer speziellen Zubereitung verabreicht, sodass es erst im Darm freigesetzt wird. Das Mittel wird in der Medizin eingesetzt, um die Organabstoßung nach Transplantationen zu verhindern.

Zudem sind viele Stents damit beschichtet, damit die Gefäßstützen nicht verstopfen. Die Versuchsmäuse waren bereits 600 Tage alt, als sie das Anti-Aging-Mittel erhielten; das entspricht einem Alter von 60 Jahren bei Menschen. Die Lebenserwartung der Mäuse stieg um neun bis 14 Prozent. Bezogen auf ihre statistisch noch verbleibende Lebenserwartung im Alter von 600 Tagen wurden die männlichen Nager um 28 Prozent, die weiblichen Tiere sogar um 38 Prozent älter.

"Ich bin seit 35 Jahren in der Altersforschung und habe viele Anti-Aging-Mittel gesehen, die nie erfolgreich waren", sagt Arlan Richardson von der University of Texas. "Ich hätte nie gedacht, dass wir zu meinen Lebzeiten noch ein vielversprechendes Mittel finden würden." David Harrison ist von den Daten fasziniert, weil "die Mäuse aus vier Stämmen kamen und sehr unterschiedlich waren. Es ist daher unwahrscheinlich, dass wir mit unserer Intervention nur bestimmte Krankheiten verzögert haben".

Rapamycin ist bekannt dafür, dass es ein Zelleiweiß namens TOR hemmt. Das Protein spielt eine wichtige Rolle für den Stoffwechsel, die Stressantwort und den Alterungsprozess. Zudem ist TOR weniger aktiv, wenn die Kalorienzufuhr gesenkt wird.

Aus diesem Grund vermuten einige Forscher, dass Rapamycin den Stoffwechselzustand simuliert, der bei verminderter Nahrungszufuhr eintritt. Von Fruchtfliegen, Fadenwürmern und Mäusen ist bekannt, dass sie mit weniger Kalorien länger leben. Auch wenn noch unklar ist, was die TOR-Blockade genau bewirkt, freuen sich die Forscher über die deutlichen Ergebnisse. "Unsere Daten liefern die ersten überzeugenden Beweise dafür, dass der Alterungsprozess verlangsamt werden kann", sagt Randy Strong, der an der Studie beteiligt war. "Und das klappt sogar, wenn die Therapie erst in höherem Alter beginnt."

Bevor es nun zu Hamsterkäufen und unkontrollierten Selbstversuchen kommt, dämpfen die Forscher allerdings die Euphorie: Es ist fraglich, in welchem Umfang die Maus-Versuche auf Menschen übertragen werden können. Zudem unterdrückt Rapamycin das Immunsystem und macht anfällig gegen Krankheiten. Eine womöglich erhöhte Lebenserwartung wird durch die Gefahr tödlicher Infektionen zumindest aufgewogen. "Niemand sollte auf die Idee kommen, das Mittel zu schlucken", sagt Lynne Cox, Altersforscherin an der Universität Oxford. "Mäuse im Labor kann man vor Infektionen bewahren, bei Menschen ist das unmöglich."

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