Anthropologie:Hobbits und Menschen lebten getrennt

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Die Liang-Bua-Höhle auf der indonesischen Insel Flores. Hier wurde das rätselhafte Frauenskelett gefunden. (Foto: Smithsonian Digitization Program Office/Liang Bua Team)

Auf der indonesischen Insel Flores fanden Archäologen Skelette merkwürdig kleiner erwachsener Menschen. Eine neue Studie zeigt, dass die "Hobbits" viel früher lebten als gedacht.

Von Christian Weber

Sie lag sehr lange Zeit unter der Erde, sechs Meter tief, in einer malerischen Höhle auf der entlegenen indonesischen Insel Flores, vergessen von der Welt (Bild). Insgeheim mag mancher Paläoanthropologe denken: Wäre sie doch dort gelieben; es gäbe weniger Probleme.

Seitdem nämlich im Jahr 2003 der neuseeländische Paläoanthropologe Mike Morwood das Skelett einer merkwürdig kleinen, aber zweifellos erwachsenen Menschenfrau in der Liang-Bua-Höhle ausgrub, tobt eine Debatte in der Fachwelt: Wie ist der Fund zu interpretieren? Gerade mal 106 Zentimeter groß war die Zwergenfrau, ihr Gehirn so klein wie das eines Schimpansen. Später wurden 13 weitere, ähnlich kleinwüchsige Wesen in der Höhle gefunden.

Gehörten sie dennoch zur Gattung Homo sapiens und waren nur das Opfer einer Krankheit geworden, einer Mikrozephalie oder einer Wachstumsstörung? Oder waren sie die Produkte einer sogenannten Inselverzwergung? Man weiß von vielen Säugetieren, dass sie kleiner werden, wenn sie auf isolierten Inseln leben, wo wenig Feinde sie bedrohen und die Nahrung knapp ist. Letztlich konnte Mike Morwood seine 2004 im Fachmagazin Nature publizierte Meinung durchsetzen. Die Zwergenmenschen von Flores werden seither in den Akten der Wissenschaft als eigenständige Gattung Homo floresiensis ("Mensch von Flores") geführt. In den Medien sprach man flapsig von "Hobbits".

Wohl keine Begegnung mit dem modernen Menschen

Weitgehend einig waren sich die Wissenschaftler bislang bei der Datierung der Funde: Die zuerst gefundene Zwergenfrau habe vor 18 000 Jahren auf Flores gelebt, die anderen Überreste seien zwischen maximal 95 000 und mindestens 12 000 Jahre alt. Nun werden aber auch diese Zeitangaben massiv infrage gestellt. Ein Team um Thomas Sutikna von der University of Wollongong in Australien kam nämlich nach neuen Ausgrabungen zwischen 2007 bis 2014 zu anderen Daten. Genauere Analysen der Erdschichten deuten demnach darauf hin, dass die Hobbits von Flores vielmehr vor 100 000 bis 60 000 Jahren auf der Insel gelebt hätten; die gefundenen Steinwerkzeuge seien zwischen 195 000 bis 50 000 Jahre alt (Nature).

Damit wäre es deutlich weniger wahrscheinlich, dass die Hobbits den modernen Menschen begegnet sind, die sich vor ungefähr 50 000 Jahren via Indonesien auf den Weg nach Australien machten. Nach den alten Berechnungen wären immerhin 40 000 Jahre Zeit für gelegentliche Treffs gewesen. Leider ist es bislang nicht gelungen, ausreichend gute DNA aus den Knochen zu gewinnen, um diese Frage endgültig zu klären. Ebenso mysteriös ist die Frage, wieso Homo floresiensis zu dem neu errechneten Zeitpunkt von Flores verschwand. Immerhin weiß man, dass unter anderem Geier, eine Zwergelefantenart und Komodo-Warane dieses Schicksal mit ihm teilten.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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