Anthropologie:Die Drei-Urväter-These

Stammen zwei Drittel aller Europäer von nur drei Männern ab? Das will eine genetische Untersuchung herausgefunden haben. Doch die These steht auf wackeligen Beinen.

Von Robert Gast

Paläoanthropologen wollen die Herkunft des Menschen entschlüsseln - und erliegen dabei gelegentlich der Versuchung, mit spektakulären Thesen aufzuwarten. Nun ist es wieder so weit: Fast zwei Drittel aller Europäer könnten direkte Nachkommen von genau drei Männern sein, die vor 3500 bis 7300 Jahren gelebt haben, mutmaßt ein internationales Paläologen-Team der Universität Leicester im Fachblatt Nature Communications.

Damit bringen sich die Autoren in einen Streit ein, der Altertumsforscher seit Jahren beschäftigt: Stammen Europäer von Bauern ab, die vor 8000 Jahren aus dem Nahen Osten eingewandert sind? Oder dominieren die Gene von Jägern und Sammlern, die bereits in der Jungsteinzeit in Europa lebten?

Die These steht auf wackeligen Beinen

Die nun präsentierte Studie sieht die Wiege der europäischen Zivilisation ganz woanders. Die drei Urväter hätten in der Bronzezeit gelebt, in der sich Menschen zu Sippen zusammentaten und mit Schmiedewaffen sowie zu Pferde Kriege führten. Die Ahnen der Europäer könnten zum Beispiel Stammesoberhäupter gewesen sein. In Frage kämen Viehzüchter der Jamnaja-Kultur, die vor etwa 4500 Jahren vom Balkan aus einwanderten. Nach jener Epoche habe sich Europas Bevölkerung stark vermehrt, schreiben die Autoren.

Die These steht aber auf wackeligen Beinen. Die Forscher analysierten nicht Gewebeproben von jahrtausendealten Mumien, sondern das Erbgut von 334 Männern, die heute leben. Deren Y-Chromosomen enthalten charakteristische Erbgut-Schnipsel, aus denen Computer Stammbäume rekonstruieren können. Weil Erbgut sich regelmäßig verändert, lässt sich grob abschätzen, wie alt die Gensequenzen sind. Eine bei 64 Prozent der Europäer vorhandene Variante ist demnach vor maximal 7300 Jahren im Erbgut der drei Urväter entstanden.

Joachim Burger von der Universität Mainz hält diese Aussage jedoch für sehr gewagt. Die Daten erlaubten keine genaue Altersbestimmung, sagt er. "Wir wissen schlicht nicht, was vor 5000 Jahren passiert ist."

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