Süddeutsche Zeitung

Artenschutz in Bayern:Rettet die Erdkröte

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Ein Heer von Amphibienrettern ist gerade unterwegs, um wandernde Lurche sicher über die Straße zu bringen. Doch es gibt Gefahren, vor denen sie die Tiere nicht schützen können.

Von Tina Baier

In der Welt der Kröten und Frösche sind Straßen nicht vorgesehen. Die Evolution hat die Amphibien nicht darauf vorbereitet, dass ein anderes Tier, der Mensch, Teile der Landschaft asphaltiert und Autos baut, die schneller und tödlicher sind als alle natürlichen Feinde, die die Tiere kennen.

Während der Amphibienwanderung, die gerade wieder in vollem Gang ist, werden deshalb jedes Jahr im Frühling unzählige Lurche überfahren. Momentan sind vor allem Erdkröten und Grasfrösche unterwegs. Die Tiere steuern auf direktem Weg ein Gewässer an, in dem sie ihren Laich ablegen können - egal ob eine Straße auf ihrer Route liegt oder nicht. "Es kommt sogar vor, dass Erdkröten-Männchen mitten auf der Straße sitzenbleiben und nach Weibchen Ausschau halten, weil sie dort einen guten Überblick haben", sagt Andreas Zahn, der beim Bund Naturschutz in Bayern für Artenschutz zuständig ist. Finden sie ein Weibchen, springen sie auf seinen Rücken und lassen nicht mehr los, bis es sie zum Wasser getragen hat.

Um möglichst viele Tiere zu retten, mobilisieren Naturschützer jedes Frühjahr ein Heer Ehrenamtlicher, die den Kröten und Fröschen dabei helfen, unversehrt über die Straßen zu kommen: Sie sperren den Zugang mit einem "Amphibienzaun", meist einer starken Plastikfolie, und versenken in regelmäßigen Abständen Eimer im Boden. Wenn die Tiere merken, dass es geradeaus nicht weitergeht, hüpfen sie nach links oder rechts entlang der Barriere weiter und fallen früher oder später in einen der eingegrabenen Eimer. Die Amphibienretter kontrollieren die Eimer mindestens einmal am Tag, zählen die Tiere, bestimmen die Art und bringen die Lurche dann sicher auf die andere Straßenseite oder sogar direkt zum Laichgewässer.

"In den letzten Jahren sind immer weniger Tiere in den Eimern gelandet", sagt Andreas Zahn. Die Zahl der Erdkröten in Bayern sei seit dem Jahr 2011 um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Noch dramatischer ist der Einbruch bei den Grasfröschen: Die Amphibienretter sammelten im Jahr 2021 etwa 40 Prozent weniger Tiere ein als noch im Jahr 2018.

Hauptgründe für den starken Rückgang sind erstens: der Verlust von Lebensraum - in ganz Deutschland gibt es immer weniger nasse Wiesen oder Moore, in denen die Tiere leben können. Und zweitens: der Klimawandel. Hitze und Trockenheit lassen Laichgewässer austrocknen, sodass viele Kaulquappen sterben. Auch Jungtiere, die viel fressen müssen, haben in heißen und trockenen Sommern kaum Überlebenschancen: Wenn sie im kühlen Versteck bleiben, verhungern sie; wagen sie sich nach draußen, um Nahrung zu suchen, trocknen sie aus.

Krankheitserreger wie Pilze und Viren, die in vielen Ländern die Hauptursache für das Amphibiensterben sind, spielen in Deutschland bislang keine große Rolle. Eine Ausnahme sind Feuersalamander, die von einem tödlichen Pilz bedroht werden, der von exotischen Tieren für Terrarien eingeschleppt wurde.

Anders als viele andere Amphibien sind Grasfrösche und Erdkröten noch nicht vom Aussterben bedroht. Andreas Zahn ist speziell von den Kröten fasziniert: "Sie schauen einen an", sagt er. Und sie haben "wunderschöne bronzefarbene Augen".

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