Süddeutsche Zeitung

Verschollene Flugpionierin Amelia Earhart:Spuren auf Nikumaroro

Vor mehr als 70 Jahren verschwand die Flugpionierin Amelia Earhart bei dem Versuch, die Welt zu umrunden, spurlos über dem Pazifik. Knochenfragmente sollen nun ihr Schicksal aufklären. Hat die Suche ein Ende?

Markus C. Schulte von Drach

Wenn Berühmtheiten wie die Flugpionierin Amelia Earhart spurlos verschwinden, erregt dies nicht nur das Interesse der Öffentlichkeit.

Seit Earhart zusammen mit ihrem Navigator Fred Noonan während eines Fluges um die Welt 1937 offenbar abgestürzt war, wurde nach ihr gesucht - und die Suche ist noch nicht vorbei.

Eine der Gruppen, die versuchen, das Schicksal der Pilotin aufzuklären, ist die International Group for Historic Aircraft Recovery (TIGHAR). Nun, so erklärte Ric Gillespie von TIGHAR jetzt im US-Sender ABC, gebe es Hoffnung, endgültig Aufklärung über das Schicksal der berühmten Pilotin zu erhalten, die 1932 als erste Frau im Alleinflug den Atlantik überquert hatte.

Denn die Organisation will Knochenfragmente entdeckt haben, die möglicherweise von Earhart stammen."Man muss nur behaupten, man habe einen möglicherweise menschlichen Knochen und er könnte mit Earhart zu tun haben, schon gibt es große Aufregung", gab Gillespie zu. "Aber wenn man DNS hat und sie mit Amelia Earharts Erbgut vergleichen kann, dann ist das ziemlich gut."

Gemeinsam mit Noonan hatte Earhart 1937 versucht, die Erde am Äquator entlang zu umfliegen, nachdem sie bereits zehn Weltrekorde aufgestellt hatte. Den größten Teil der Reise hatten die beiden bereits bewältigt, als sie am 2. Juli von Neuguinea aus in Richtung Howland-Insel starteten.

Doch auf diesem Eiland in der Nähe der Phoenixinseln (Kiribati), das über eine Landebahn und ein Treibstoffdepot verfügte, kamen die zwei niemals an.

Seit einigen Jahren bemüht sich TIGHAR darum, zu beweisen, dass Earhart und Noonan nicht vor Howland in den Pazifik gestürzt sind. Vielmehr soll ihnen eine Notlandung auf dem Atoll Nikumaroro (früher Gardner Island) etwa 3400 Kilometer südwestlich von Hawaii und nur 600 Kilometer von Howland entfernt gelungen sein.

Auf dem unbewohnten Eiland, das ebenfalls zu den Phoenixinseln gehört, hätten sie einige Tage überlebt, wären jedoch dann an Verletzungen, Infektionen, einer Lebensmittelvergiftung aufgrund giftiger Fische oder einfach aufgrund von Wassermangel gestorben, vermutet man bei Tighar.

Das Flugzeug, eine Lockheed 10 Electra, mit dessen Funkgerät Earhart noch mehrmals auf Sendung gewesen sein soll, sei schließlich von den Wellen zerstört, die meisten Teile ins Meer gerissen worden.

Zwar wurde vor der Küste bislang kein Flugzeugwrack entdeckt, allerdings fällt der Meeresboden steil ab. Die Electra könnte demnach außerhalb der Reichweite der bislang eingesetzten Suchgeräte liegen, vermutet man bei Tighar.

Für ihren Verdacht präsentiert die US-Organisation aus Wilmington, Delaware, die weltweit nach verschollenen historischen Flugzeugen sucht, gleich eine Reihe von Hinweisen. So liegt die Koralleninsel angeblich ungefähr in der Richtung, in die Earhart und Noonan ihrem letzten, eindeutig zuzuordnenden Funkspruch zufolge flogen.

In der Nacht des 2. Juli erreichte ein Funkspruch die Insel Nauru weit westlich der Phoenixinseln. Die Botschaft war kaum zu verstehen, auffällig war jedoch, dass keine Fluggeräusche im Hintergrund zu hören waren.

In den folgenden zwei bis drei Tagen empfing man auf Nauru, aber auch auf anderen Inseln und Schiffen in der Umgebung weitere Funksprüche, von denen einige auf das Konto zynischer Witzbolde gingen. Einige aber werden als möglicherweise authentisch eingeschätzt.

Die wenigen verständlichen Bruchstücke sprechen TIGHAR zufolge für Nikumaroro als Ort einer Notlandung. Insbesondere der Hinweis auf ein Schiff auf einem Riff könnte sich auf das Wrack der S.S. Norwich City beziehen, ein britisches Handelsschiff, das 1928 dort gestrandet war.

Im Oktober 1937 stieß eine britische Expedition auf der Insel auf Hinweise der Anwesenheit von Menschen, die "dort eine Nacht gelagert haben". Auch Navy-Flieger, die eine Woche nach dem Verschwinden Earharts die Insel überflogen, hatten Ähnliches beobachtet, aber keine Hinweise auf Überlebende oder auch nur das Flugzeug Earharts gesehen.

Achtzehn Monate nach dem Verschwinden von Earhart und Noonan richteten die Briten eine kleine Kolonie auf Nikumaroro ein, die 1963 wieder aufgegeben wurde.

Der britische Kolonialbeamte Gerald Gallagher, unter dessen Aufsicht die Besiedelung stand, berichtete von Teilen eines Skeletts, auf das man gestoßen sei, Reste eines Lagerfeuers, Tierknochen, Überreste von einem Männer- und einem Frauenschuh und einen Sextantenbehälter.

Gallagher hielt es zumindest für möglich, Earhart gefunden zu haben und ließ die Knochen nach Fidschi bringen, wo sie zweimal untersucht wurden - mit unterschiedlichem Ergebnis.

Zuerst hieß es, es handele sich um einen Mann - möglicherweise einen Polynesier. Die zweite Untersuchung kam zu dem Schluss, dass es sich um eine Frau nordeuropäischer Abstammung gehandelt haben könnte.

Eine Analyse der ursprünglichen Notizen aus dem Jahre 1998 bestätigte dies. Skeptiker schließen allerdings noch immer nicht aus, dass es sich auch um die Überreste eines der Besatzungsmitglieder der gestrandeten Norwich City gehandelt haben könnte.

Bei Ausgrabungen der Organisation TIGHAR in den vergangenen Jahren wurden weitere interessante Gegenstände entdeckt: Knöpfe, ein Reißverschluss, der von einer Fliegerjacke stammen könnte, Reste von Make-up und der Spiegel einer Puderdose.

Nach Angaben der Organisation stammten sämtliche Funde aus den USA der dreißiger Jahre. Nun hat Gillespie drei Knochenfragmente präsentiert, die TIGHAR dort entdeckt hat, wo 1940 die Reste des mittlerweile nicht mehr auffindbaren Skeletts gefunden wurden.

Die Knochen, die Teile eines Wirbels und eines Fingers sein könnten, sollen nun in einem Labor der University of Oklahoma in Norman untersucht, mitochondriale DNS gewonnen und mit Erbgutproben verglichen werden, die Tighar von einer weiblichen Verwandten Eartharts erhalten hat.

Sollte das Ergebnis positiv sein, soll ein zweites Labor das Ergebnis überprüfen. "Außergewöhnliche Behauptungen benötigen außergewöhnliche Beweise", erklärte Cecil Lewis von der University of Oklahoma der Nachrichtenagentur AP. "Deshalb wollen wir die Sache nicht an die große Glocke hängen."

Vorerst gehen die Wissenschaftler davon aus, dass es sich um Knochen einer Schildkröte handeln könnten - "und eine Menge Leute werden sehr niedergeschlagen sein".

Ergebnisse erwarten die Forscher frühestens in einigen Wochen - vielleicht sogar erst in einigen Monaten. Sollten die Knochen tatsächlich von Amelia Earhart stammen, wäre ein 70 Jahre währendes Rätsel endlich gelöst.

Und falls nicht, wird die Diskussion weitergehen. Denn Theorien zum Schicksal der Flugpionierin gibt es noch weitere.

So wurde vor allem während des Zweiten Weltkriegs der Verdacht populär, Earhart und Noonan seien von den Japanern gefangen genommen worden.

Andere suchen das Flugzeug auf der Insel Neubritannien (Papua-Neuguinea), wo es nach einem vergeblichen Versuch, nach Neuguinea zurückzukehren, abgestürzt sein soll.

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