Alzheimer:Auf Wiedervorlage

Illustration Demenz

Die Angst vor Alzheimer ist auch deshalb so lähmend, weil bisher keine wirksamen Medikamente existieren.

(Foto: dpa)

Wird ein zuvor in mehreren Studien gescheitertes Medikament gegen Alzheimer doch zugelassen? Angeblich zeigt das Mittel Wirkung, wenn es stärker dosiert wird. Doch es geht um mehr als nur um ein potenzielles Medikament.

Von Kathrin Zinkant

Gleich zwei Studien an Patienten abbrechen zu müssen, das ist nicht nur für Pharmafirmen ein schwerer Rückschlag. Gerade wenn es um die Demenzerkrankung Alzheimer geht, ruhen auf den finalen Untersuchungen zur Wirksamkeit neuer Arzneien enorme Hoffnungen von Erkrankten und ihren Angehörigen. Bislang gibt es keine Mittel, um die Krankheit ursächlich zu behandeln. 2019 war so gesehen ein sehr schlechtes Jahr, denn es wurden gleich drei große Alzheimerstudien gestoppt. Zwei davon betrafen den Wirkstoff Aducanumab von Biogen. Es hieß, es gebe keine Aussicht mehr auf eine messbare Wirkung der Arznei. Damit war Aducanumab eigentlich Geschichte.

Nur gut ein halbes Jahr später scheint sich das gescheiterte Medikament aber auf erstaunliche Weise erholt zu haben. Auf Grundlage derselben Studien, die in diesem Jahr abgebrochen wurden, strebt Biogen in den USA nun sogar die Zulassung für Aducanumab an. Die Firma begründet ihre Ambitionen mit neuen Daten, die am Donnerstag während einer Konferenz in San Diego erstmals im Detail vorgestellt wurden. Demnach soll die Dosis des Medikaments am Anfang der abgebrochenen Studien zu niedrig gewesen sein. Nach dem Stopp wurde den Teilnehmern jedoch angeboten, mit der Medikation weiterzumachen. Knapp zwei Drittel der mehr als 3000 Patienten nahmen die Gelegenheit wahr - und erlebten auch therapeutische Effekte, wie die Analyse der zusätzlichen Daten nun belegen soll.

Bis zu 40 Prozent langsamer verläuft demnach der geistige Niedergang in Patienten, die eine hohe Dosis von Aducanumab bekommen. Doch auch niedrige Dosierungen, die bis März keine nennenswerten Effekte gezeitigt hatten, bremsten den Verfall später um gut 20 Prozent. Das ergaben zumindest die Fragebögen, mit deren Hilfe der geistige Status der Teilnehmer ermittelt wurde. Bildgebende Verfahren und Biomarker-Tests haben angeblich auch im Gehirn eine Reduktion der Krankheitsmerkmale belegt. Sie zeigten allerdings auch, dass gefährliche Schwellungen im Gehirn als Nebenwirkung unter höheren Dosierungen sehr viel häufiger auftraten.

Ist die Alzheimerforschung seit Jahrzehnten auf dem Holzweg?

Für viele Anhänger der sogenannten Amyloidhypothese geht es bei der Wiederauferstehung von Adecanumab um mehr als nur ein Medikament. Es geht darum, ob der größte Zweig der Alzheimerforschung womöglich jahrzehntelang auf dem Holzweg gewesen ist. Alle vielversprechenden Medikamente, die in den vergangenen Jahren gescheitert sind, zielen auf den Abbau von Eiweißablagerungen im Gehirn - auch Aducanumab. Sollte sich die Wirksamkeit der Arznei bestätigen, wäre das ein Beleg dafür, dass die Ablagerungen nicht nur ein Symptom der Krankheit sind, sondern auch die wesentliche Ursache.

"Die Frage ist nun, ob Aducanumab sofort zugelassen werden sollte - oder ob eine endgültige Phase-3-Studie mit einer hohen Dosierung nötig ist, um sicher zu sein, dass es einen Nutzen gibt", sagt der britische Altersforscher Clive Ballard von der University of Exeter. Experten der Universität München, die an den abgebrochenen Studien beteiligt waren, sprechen sich nach Informationen der SZ dafür aus, weitere Untersuchungen abzuwarten.

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