Altes Ägypten:Rätselhafte Bleche im Grab von Tutanchamun

Goldbleche aus dem Grab von Tutanchamun

Goldenes Blech aus dem Grab Tutanchamuns.

(Foto: Christian Eckmann/Roemisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz)

Als Archäologen lange vergessene Goldplatten aus dem Grab des Pharaos analysierten, stießen sie auf eine Überraschung: Tierbilder, die für das Alte Ägypten untypisch sind.

Von Hubert Filser

Als Howard Carter im Jahr 1922 die goldenen Bleche im Grab des Pharaos Tutanchamun fand, schenkte er ihnen keine allzu große Beachtung. Er dokumentierte die gut 100 Fundstücke, ließ sie fotografieren und verstaute sie in einer Holzkiste, die er mit "Harness" - Zaumzeug - beschriftete. Im Jahr 2013 entdeckten Tübinger Archäologen um Peter Pfälzner die vergessenen Goldbleche wieder und begannen sie zu erforschen. "So ganz falsch lag Carter mit seiner Einschätzung gar nicht", sagt Pfälzner heute. Ein Teil der goldenen, kunstvoll verzierten Bleche diente wohl einst tatsächlich als Beschlag von Zaumzeug. Die aktuellen Studien ergaben aber, dass die hauchdünnen Bleche weitaus häufiger Pfeilköcher und Bogenkästen verzierten. Man nähte oder klebte sie auf die Leder- oder Holzbehälter für die Waffen und schuf so kunstvolle Gegenstände, die den Pharaonen auch als Machtsymbole dienten.

Die wertvollen Bleche waren teilweise in kleinere Plättchen zerbröselt. Restauratoren vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum hatten sie zunächst in jahrelanger Arbeit zusammengesetzt. Als Vorlage dienten die alten Schwarz-Weiß-Fotos von Howard Carter, wobei diese, wie Pfälzner sagt, oft eher unscharf waren. Die Mühe hat sich gelohnt, die 100 restaurierten Stücke sind nun in einer Ausstellung im Ägyptischen Museum in Kairo zu sehen.

Überraschend für die Forscher war, dass nur ein Teil typische ägyptische Szenen zeigt, also etwa den Pharao auf seinem goldenen Streitwagen oder ägyptische Gottheiten. Zu sehen sind zudem Bilder, wie sie eher in Vorderasien gebräuchlich waren, Tierkämpfe etwa oder stilisierte Lebensbäume. Das gab Peter Pfälzner zu denken, der bis zum Syrienkrieg intensiv das Stadtkönigreich Qatna ausgegraben und erforscht hatte. Auch er hatte Goldbleche in den dortigen Königsgräbern gefunden - und sie stammten auch noch aus der gleichen Zeit. Zudem sahen sie ähnlich aus.

Generell illustrierten solche Bilder nicht etwa Mythen oder Epen, sondern hatten eher allegorischen Charakter, wie Pfälzner erklärt. Da fasst beispielsweise ein Mann einen Hirsch mit der Hand am Geweih und ringt ihn nieder. Die Bilder sollten symbolisieren, wie sich beim Kräftemessen der Stärkere durchsetzt. "Es ging für die Besitzer solcher Objekte darum, ihre Macht zu zeigen", sagt Pfälzner. In Qatna war die Ausstattung nicht ganz so prächtig wie die im Grab von Tutanchamun. Die verschiedenen Herrscher bedienten sich aber interessanterweise derselben Bildsprache. Eine Art "internationaler" Stil in der Bronzezeit war praktisch im gesamten Mittelmeerraum und in Vorderasien zu finden.

Unklar war zunächst, wo der Trend seinen Ursprung hatte und auf welchen Wegen er sich verbreitete. Die neuen Forschungen zeigen, dass offenbar Syrien eine zentrale Drehscheibe für den Kulturtransfer war. Gerade die klassischen Tierszenen, in denen etwa ein Raubtier eine Gazelle reißt, waren als Bildmotive schon lange zuvor in Mesopotamien und Babylon bekannt. Qatna und das alte Syrien müssen in der Bronzezeit eine zentrale Rolle im Kulturtransfer gespielt haben. "Die Motive, die einst in Mesopotamien entwickelt wurden, gelangten über Syrien nach Ägypten und in den gesamten Mittelmeerraum", sagt Pfälzner.

Doch hatten die Ägypter nur die Idee zu den Motiven importiert oder die Bleche selbst? "Chemische Analysen des Goldes ergaben, dass die Bleche mit ägyptischen Motiven und die mit fremden Motiven aus unterschiedlichem Goldmaterial hergestellt worden sind. Dies muss allerdings nicht bedeuten, dass die Stücke importiert wurden", sagt Pfälzner. Sechs verschiedene Goldzusammensetzungen konnten die Forscher identifizieren. Pfälzner geht davon aus, dass die kunstvollen Arbeiten in mindestens zwei verschiedenen Ateliers in Ägypten hergestellt wurden, eines spezialisiert auf ägyptischen, das andere auf internationalen Stil. Die "internationalen" Goldbleche haben einen höheren Goldanteil als die mit ägyptischen Bildern, bei denen die Silber- und Kupferbeimischung deutlich höher ist. Jede Werkstatt bezog ihr Gold aus einer anderen Quelle: aus ägyptischen Minen in den südlichen Wüsten oder aus Nubien.

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