Die Prinzessin hätte dringend ärztlicher Hilfe bedurft, so verkalkt waren ihre Blutgefäße. Aber das erkannte in Ägypten um das Jahr 1550 vor Christus niemand, und so starb Ahmose-Meritamun im Alter von gut 40 Jahren mit dicken Ablagerungen in fast jeder ihrer Adern. "Heute", sagt Gregory Thomas von der University of California in Irvine, "hätte sie eine Bypass-Operation bekommen."
Der Kardiologe hat im Rahmen des internationalen Horus-Projekts 52 ägyptische Mumien in den Computertomographen geschoben, um posthum den Zustand der hochherrschaftlichen Blutgefäße mit modernster Technik zu ermitteln.
Nun trägt Prinzessin Ahmose-Meritamun neben den Bezeichnungen der "königlichen Tochter" und "königlichen Schwester", wie sie auf ihrem Sarkophag zu lesen sind, noch einen weiteren Titel: den des ersten Menschen, der bekanntermaßen verkalkte Herzkranzgefäße hatte.
Offenbar gab es das medizinische Problem, das heute häufig als Lifestylekrankheit betrachtet wird, schon vor 3500 Jahren - und das gar nicht mal selten.
Bei 44 der 52 untersuchten Mumien gelang dem Forscherteam die Darstellung von Arterien mit Hilfe des Computertomographen, wie Gregory Thomas jetzt auf einer Konferenz in Amsterdam berichtete. Bei 20 der 44 Mumien waren Ablagerungen in den Arterien erkennbar. Ahmose-Meritamun war besonders schwer betroffen, bei ihr waren auch die Herzkranzgefäße auffällig verkalkt.
"Insgesamt ist es erstaunlich, wie viel Arteriosklerose wir gefunden haben", sagt Gregory Thomas. "Nun müssen wir unsere Vorstellung von Arteriosklerose als einer modernen Krankheit in Frage stellen."
Als Risikofaktoren für Ablagerungen gelten heute vor allem Rauchen, cholesterin- und fettreiche Ernährung sowie Bewegungsmangel. Zur Zeit der 17. Dynastie, während der Ahmose-Meritamun in Theben lebte, dürfte man in Ägypten jedoch viel Gemüse und Früchte gegessen haben und nur eine überschaubare Menge an Fleisch, das zudem von domestizierten, aber nicht gemästeten Tieren stammte.
Entlang den Ufern des Nils wurden Weizen und Gerste angebaut, um die Grundnahrungsmittel Brot und Bier herzustellen. Tabak und die verrufenen Transfettsäuren, die bei der industriellen Härtung von Pflanzenöl entstehen, waren unbekannt. Übergewicht entsprach nicht dem Schönheitsideal. Gleichwohl wird die Prinzessin nicht so karg gespeist haben wie gewöhnliche Ägypter. Sie wird mehr luxuriöse Nahrungsmittel wie Fleisch, Butter und Käse konsumiert haben. Ungesunde Ernährung könne als Ursache für die erstaunlich schlechte Herzkonstitution der Prinzessin also nicht völlig ausgeschlossen werden, räumt Gregory Thomas ein.
Da es im Körper von Ahmose-Meritamun aber kaum eine Ader ohne Ablagerungen gegeben hat, gehen die Forscher von einem stärkeren Effekt aus. Womöglich war sie genetisch vorbelastet, oder die parasitischen Infektionen, die im alten Ägypten gängig waren, haben zu Entzündungen geführt, deren Folge Ablagerungen in den Arterien waren.
Die Rolle der Gene betont auch der Präsident der Deutschen Herzstiftung, Thomas Meinertz. Ihnen werde bei Herzerkrankungen eine immer größere Bedeutung zugesprochen. Im alten Ägypten habe es unter den Angehörigen des Königshauses zudem starke Inzucht gegeben, sodass sich belastende Gene anhäufen konnten, betont der Kardiologe. "Noch heute findet man in allen Regionen mit starken familiären Verflechtungen -vom Südschwarzwald bis zum Iran- bei relativ jungen Leuten Maximalvarianten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor."
Anders als die Arterienverkalkung ist Krebs dagegen nach Ansicht britischer Wissenschaftler tatsächlich vor allem eine Krankheit der Moderne. Zu diesem Schluss kamen die Forscher von der Universität Manchester nach einer Analyse von mehreren hundert ägyptischen Mumien ( Nature Reviews Cancer, Bd.10, S.728, 2010).
Dabei fanden sie nur einen einzigen Fall von Krebs, obwohl dieser heute so verbreitet ist. Das liege nicht allein daran, dass die Menschen früher jünger starben und Krebs eine Alterskrankheit sei, ist Projektleiterin Rosalie David überzeugt. Schließlich seien andere Alterserkrankungen wie Arthritis und Osteoporose häufig in antiken Gesellschaften nachgewiesen worden - und die Arterienverkalkung nun sogar bei jeder zweiten Mumie.