Süddeutsche Zeitung

Alternative Energie:Wie man aus Dreck Geld machen kann

Kambodscha gibt Gas: Biogasanlagen verbessern Gesundheit und Einkommen von armen Kleinbauern und schützen nebenbei das Klima.

Matthias Hopfmüller

Sathavy Cheng hält ein Streichholz an den Gasbrenner. Mit leisem Plopp entzündet sich das ausströmende Gas. "Es ist so sauber und einfach", schwärmt die 36-Jährige. "Früher war hier alles voller Rauch, wenn ich gekocht habe." Sie setzt den Topf mit Reis auf die Flammen. "Die Kinder hatten immer rote Augen."

Rote Augen sind noch eines der harmloseren Gesundheitsprobleme, die von den Milliarden Kochfeuern in Entwicklungsländern ausgehen. Atemwegserkrankungen, die durch Rauch in den Häusern und Hütten der Armen ausgelöst werden, sehen Experten von den Vereinten Nationen als das viertgrößte Krankheitsrisiko in der sogenannten Dritten Welt.

Auch die Küche der Familie Cheng war ein verrauchter Raum; die Töpfe waren so rußgeschwärzt, dass Sathavy Cheng sie mit Sand scheuern musste, um sie sauberzuhalten. Doch nun liefert eine Biogasanlage auf der kleinen Reisfarm in der Provinz Takeo im südlichen Kambodscha Brennstoff für Herd und Lampen.

Früher gingen Sathavy Cheng und ihre älteren Kinder jeden Tag rund eine Stunde lang Feuerholz sammeln. Jetzt hat die Frau mehr Zeit, sich an ihren Webstuhl zu setzen und Seidenstoffe zu weben, die sie dann verkauft. Und da sich mit dem Biogas auch eine Lampe betreiben lässt, kann sie auch noch arbeiten, wenn die frühe Tropennacht hereingebrochen ist.

17.500 Klein-Biogasanlagen sind erst der Anfang

Künstliches Licht hatte die Familie zwar vorher auch schon: eine Neonröhre, die mit Strom aus einer Autobatterie betrieben wurde. "Aber für das Aufladen der Batterie haben wir jeden Monat fünf bis sechs Dollar bezahlt", erzählt Sathavys Mann Sophal Cheng. Kein geringer Betrag, schließlich wirft die durchschnittliche Reisfarm in Kambodscha etwa 100 Dollar pro Monat ab - für sechs Familienmitglieder.

Sathavy und Sophal Cheng waren deshalb schnell überzeugt, als ihnen Berater des kambodschanischen Nationalen Biogas-Programms (NBP) den Vorschlag machten, eine Biogasanlage zu bauen. Das NBP wird vom kambodschanischen Landwirtschaftsministerium und der niederländischen Entwicklungsorganisation SNV getragen. Es besteht seit 2005 und hat als Ziel, bis 2009 in ausgewählten Provinzen insgesamt 17.500 Klein-Biogasanlagen zu errichten.

Obwohl diese Zahl schon beeindruckend ist, ist sie doch erst der Anfang: Allein in den Pilotprovinzen besteht ein Potential von mehr als 220.000 Haushalten, die eine solche Anlage betreiben könnten. "Unser Ziel ist, dass sich ein eigenständiger Markt für diese Technik entwickelt", sagt Jan Lam, Projektverantwortlicher auf Seiten der SNV. "Das ganze soll sich verselbständigen."

Vorbild dafür ist Nepal. Hier hat sich der Biogassektor zu einem Wirtschaftszweig entwickelt mit über 60 Anlagenbauern, zahlreichen Herstellern von Zubehör, Banken und Mikrofinanzinstituten sowie einer unabhängigen Organisation, die das Ganze koordiniert.

Die Technik der Biogasanlagen ist einfach - ein wichtiger Aspekt in einem Entwicklungsland wie Kambodscha. Es gibt keine beweglichen Teile außer dem Gasventil. Bioabfälle vergären in einer unterirdischen gemauerten Kuppel. Der zum Betrieb von Kocher und Lampe nötige Gasdruck wird durch ein Zweikammersystem erreicht. Den Bau der Anlagen übernehmen lokale Handwerker, die das NBP schult. Das Material, vor allem Ziegel, Zement und PVC-Rohre, kommt von lokalen Märkten.

Förderung nach Kyoto-Protokoll

Somit bleiben auch die Kosten überschaubar: Die Chengs etwa haben für ihre Anlage knapp 350 US-Dollar bezahlt, einschließlich Gaskocher und -lampe. Davon stammen 100 Dollar als Subvention vom NBP, für den Rest konnten die Chengs einen günstigen Mikrokredit aufnehmen - auch das gehört zur Strategie der Markteinführung.

Da die Chengs nun kein Holz oder Holzkohle mehr kaufen müssen, wenn das Sammeln ergebnislos blieb, und auch das Aufladen der Batterie wegfällt, können sie mit dem ersparten Geld den Kredit abzahlen. "Die meisten schaffen das innerhalb von zwei Jahren", sagt Jan Lam. "Danach wirft die Anlage bei einer Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren sogar Gewinn ab."

"Die Biogasanlage passt perfekt in die Wirtschaftskreisläufe der Kleinbauern", sagt Jan Lam. Aus dem Dung ihrer drei Kühe gewinnen die Chengs nämlich nicht nur Gas für drei bis vier Stunden Kochen oder sieben bis acht Stunden Licht pro Tag. Die Rückstände aus der Gärkammer sind auch hochwertiger Dünger für Reisfelder, Obstbäume und Gemüsebeete.

Gegenüber der direkten Düngung mit Kuhdung hat der Stoff der Biogasanlage viele Vorteile: Er ist konzentriert und enthält Stickstoff in einer für die Pflanzen leichter nutzbaren Form, er vermindert den Unkrautwuchs, weil die Vergärung die im Kuhdung enthaltenen Samen abgetötet hat, er stinkt nicht, zieht keine Fliegen an und ist frei von Krankheitserregern.

Zudem schützt die Biogasanlage die Gesundheit der Chengs noch auf eine weitere Weise. Wie die meisten Kleinbauern in Kambodscha hatte die Familie bislang keine richtige Toilette.

Eine Grube hinter dem Haus, das war alles. Vor allem in der Regenzeit, wenn in Kambodscha ganze Landstriche knöchel- oder knietief unter Wasser stehen, lief die Grube voll. Dann waren Durchfallerkrankungen an der Tagesordnung - jeder steckte sich bei jedem an. Nun ist ein Klohäuschen an die Biogasanlage angeschlossen. Die Gärbakterien im Tank machen Kolibakterien und sonstige Keime unschädlich.

Zusätzlichen Schub könnte das NBP durch die internationalen Bemühungen um den Klimaschutz bekommen. Das Programm würde sich als sogenannter Clean Development Mechanism (CDM) nach dem Kyoto-Protokoll eignen. Dabei investieren Staaten oder Unternehmen in Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern und erhalten dafür Emissionszertifikate, die sie auf den Ausstoß der eigenen Kraftwerke anrechnen oder auf dem internationalen Markt verkaufen können.

Jan Lam verweist auf Nepal, wo ein SNV-unterstütztes Programm zwischen Anfang der 1990er-Jahre und 2005 rund 140.000 Biogasanlagen errichtet hat. Legt man die CDM-Berechnungsmethoden zugrunde, sparen diese jedes Jahr über 600.000 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente ein (in dieser Einheit werden die verschiedenen Treibhausgase verglichen). Für Kambodscha kommt eine Studie des NBP auf rund drei Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr und Anlage.

Ersatz für fossile Brennstoffe

Ein großer Teil dieser Einsparung resultiert direkt aus der Nutzung des Biogases: Es besteht überwiegend aus Methan, das als Treibhausgas bei gleicher Masse über 20-mal so wirksam wie CO2 ist. Wenn Kuh- oder Schweinedung unkontrolliert verrotten, entweicht das Methan direkt in die Atmosphäre. Wird es dagegen in der Biogasanlage erzeugt und anschließend nutzbringend verbrannt, wird CO2 frei - mit entsprechend geringerer Treibhauswirkung.

Zudem ersetzt das Biogas entweder fossile Brennstoffe wie Kerosin oder Holz und Holzkohle. Sie gelten zwar grundsätzlich als nachwachsende Rohstoffe, stammen aber in Ländern wie Kambodscha meist aus Raubbau, der Wälder durch Kahlschlag zerstört.

Für Sathavy und Sophal Cheng sind diese Überlegungen allerdings eher zweitrangig. Sie genießen den Komfort von Gaskocher und -lampe, das Klohäuschen, die bessere Gesundheit ihrer Kinder und die zusätzlichen Einnahmen, die ihnen die Biogasanlage verschafft. Vorteile, die sich im Dorf schnell herumsprechen: Inzwischen entsteht beim Nachbarn die nächste Anlage. Das ist genau der Schneeballeffekt, auf den Jan Lam setzt.

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Quelle:
SZ vom 01.04.2008/mcs
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