Alphamännchen im Stress:Der Chef leidet besonders

An der Spitze der Hierarchie zu stehen, bringt eine Reihe von Vorteilen - aber Führungskräfte sind auch besonders starken Belastungen ausgesetzt. Das gilt auch für Affen. Bei Pavianen etwa zeigen gerade die Alphamännchen die höchsten Stresswerte.

Werner Bartens

Als Chef hat man es nicht leicht. Ständig wollen Mitarbeiter mehr Geld oder sich über Kollegen beschweren. Auch unter Affen ist der Anführer nicht zu beneiden. Zumindest bei Pavianen ist das Alpha-Männchen besonderen Belastungen ausgesetzt.

Wissenschaft: Alpha-Maennchen zahlen einen hoeheren Preis

Wer in der sozialen Hierarchie oben ist, hat mehr Nahrung, mehr Nachkommen, wächst schneller und ist gesünder. Aber der Preis des Erfolgs scheint eine erhöhte Stressreaktion zu sein.

(Foto: dapd/Catherine Markham)

Die Tiere, die in der Hierarchie am höchsten stehen, haben auch die höchste Konzentration an Glukokortikoiden und anderen Stresshormonen, berichten Biologen aus Princeton und Nairobi an diesem Freitag im Fachblatt Science (Bd.333, S.357, 2011).

Primatenforscher beobachten seit fast 40 Jahren fünf wildlebende Paviangruppen im kenianischen Amboseli-Park. Generell gilt es bei vielen Tierarten als evolutionärer Vorteil, an der Spitze zu stehen. Wer in der sozialen Hierarchie oben ist, hat mehr Nahrung, mehr Nachkommen, wächst schneller und ist gesünder.

Der Preis des Erfolgs scheint jedoch eine erhöhte Stressreaktion zu sein, wie Biologen um Laurence Gesquiere und Jeanne Altmann aus der Analyse von Cortisol und Testosteron in den Kotproben von 125 Pavianmännchen schlossen, die sie über neun Jahre sammelten.

"Das Leben an der Spitze hat auch Schattenseiten", sagt die Biologin Susan Alberts von der Duke University. "Es ist aufreibend, ein Alphatier zu sein." Ranghöchste Paviane müssen oft Position und Weibchen verteidigen - eine wiederkehrende Stresssituation, in die untergeordnete Tiere selten geraten.

Der Pavian an zweiter Stelle hat das niedrigste Stressniveau - er muss sich kaum verteidigen. Mit geringerem Rang steigen die Cortisolspiegel wieder; unterlegene Affen bekommen oft die Wut der Anführer zu spüren.

Zwar sind auch menschliche Alphamännchen Belastungen ausgesetzt. Doch es gibt auch die zufriedenen Chefs, die ihre vielfältigen Aufgaben nicht als Last, sondern Lust empfinden. Deshalb gilt positiver Stress als gesund. Aus Studien an britischen Beamten wurde sogar die Erkenntnis abgeleitet, dass der glückliche Leiter einer Abteilung ein nur halb so hohes Risiko trägt, an stressbedingten Leiden wie Herzinfarkt oder Magengeschwür zu erkranken wie sein unzufriedener gleichaltriger Untergebener.

Zweifel an dieser Theorie sind allerdings angebracht, wenn man die moderne Arbeitswelt betrachtet. "Wo gibt es noch den glücklichen Fabrikchef, der keinem verpflichtet ist und zufrieden auf sein Werk und seine Angestellten blicken kann", sagt Dirk Hellhammer, Stressexperte an der Universität Trier. "Die meisten Führungskräfte sind heute in einer anstrengenden Dazwischen-Position, in der von allen Seiten gezerrt wird: Sie müssen nach oben Wünsche erfüllen und nach unten Druck weitergeben."

Hellhammers Arbeitsgruppe hat auch bei Gruppen, die ihre Rangordnung erst finden müssen, den Stress der Chefs beobachtet. Unter neuen Rekruten bildete sich nach wenigen Tagen eine Hierarchie. Wer in der Gruppe der Soldaten den Ton angab, bei dem waren die Cortisolspiegel deutlich stärker erhöht als bei den Mitläufern.

Eine Frage der Stabilität

Das Planen, Strukturieren und Führen kostet Kraft. Und da das Gehirn unter diesen Belastungen bis zu 80 Prozent der Energie verbraucht, die ihm zur Verfügung steht, müsse es anderweitig Kräfte mobilisieren. "Das Gehirn kommt unter Druck nur dann zu einer angemessenen Versorgung, wenn es mittels Stressreaktion Glukose und Laktose aktiviert", sagt Hellhammer.

Wissenschaft: Alpha-Maennchen zahlen einen hoeheren Preis

Zwei erwachsene Pavianmännchen im Konflikt. Ein Tier durch Anstarren mit erhobenen Augenbrauen, das andere zeigt eine Angstgrimasse.

(Foto: dapd/Jeanne Altmann)

Es gibt allerdings auch große Unterschiede in der Stressresistenz, die weniger mit aktuellen Belastungen zu tun haben, sondern auf prägende frühe Erfahrungen zurückgehen. "Hat die Mutter kurz vor der Geburt des Kindes viel auf die Mütze bekommen oder das Kind kurz danach, kann die Stressreaktion ein Leben lang gestört sein", sagt Hellhammer. "Die Menschen sind und bleiben dann anfälliger für stressbedingte Leiden."

Wie stark der Chef unter Stress steht, hängt auch davon ab, wie stabil die Hierarchie ist, die er anführt. "Wenn man ständig in Frage gestellt wird und um seinen Stuhl bangen muss, sind Belastung und Cortisolausschüttung natürlich größer", sagt Markus Heinrichs, der das Institut für Biologische und Differentielle Psychologie der Universität Freiburg leitet.

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse etwa als FDP-Vorsitzender oder AKW-Betreiber sind daher nicht förderlich für die Gesundheit. Feste Strukturen, Perspektiven und Wertschätzung - die überraschend wenig mit Geld zu tun hat - dämpfen hingegen die Stressreaktion.

Statt ihre Position anzustreben, sind Führungskräfte vielmehr zu bedauern. Deswegen fordert der Primatenexperte Robert Sapolsky von der Stanford University: "Mitleid mit dem Vorstandsvorsitzenden".

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