Allergie:Kuhdreck als Impfstoff

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Der Klimawandel erfordert die Entwicklung neuer Medikamente für Allergiker. Die Pollen werden wohl aggressiver und die Leiden der Allergiker noch schlimmer.

Werner Bartens

Für mindestens zwölf Millionen Menschen in Deutschland wird die Natur regelmäßig zur Bedrohung: Wenn die Augen tränen, die Nase läuft und die Haut juckt, wissen Allergiker, dass der Pollenflug begonnen hat. Das ist alles andere als harmlos, denn fast die Hälfte der von Heuschnupfen Geplagten erkrankt irgendwann an Asthma.

Hatschi! - Allergien werden möglicherweise noch schlimmer. (Foto: Foto: ddp)

In Zukunft könnte sich ihr Leiden noch verschlimmern, prophezeien Münchner Allergie-Experten. "Es gibt mehr Pollen, es gibt neue Pollen, und die Pollen werden aggressiver", sagt Heidrun Behrendt, Leiterin des Zentrums Allergie und Umwelt der TU München. Vieles spricht dafür, dass daran maßgeblich die Menschheit schuld ist.

Treibhauseffekt und Erderwärmung haben weltweit die Menge der Pollen in der Luft erhöht: Die Blühsaison beginnt früher und verläuft intensiver. "In den vergangenen 30 Jahren hat sie sich in Europa um zehn bis 14 Tage verlängert", sagt Behrendt.

Die Stärke des Pollenflugs allein sage zwar nichts über die Menge der Allergie auslösenden Substanzen aus, die freigesetzt werden. Doch die Forscher um Behrendt haben Belege dafür gefunden, dass Pollen auch immer schädlichere Substanzen enthalten.

In München untersuchten sie Birken an Verkehrskreuzungen und verglichen sie mit Birken im ländlichen Raum. Der Unterschied war eindeutig: Pollen von Bäumen, die in Autoabgasen standen, setzten nicht nur mehr Allergene frei als Pflanzen auf Bauernwiesen.

Die schadstoffbelasteten Pollen enthielten auch mehr aggressive Substanzen, so genannte Lipid-Mediatoren. Gelangen diese aus Pollen über die Nasenschleimhaut in den Körper, können sie Entzündungen hervorrufen und die Allergieneigung - auch bei Menschen, die bisher nicht unter der Krankheit gelitten haben - erhöhen.

Weltweit werden zudem immer neue Allergien bekannt. Menschen reagieren plötzlich allergisch auf altbekannte Pollen von Zypresse, Ölweide oder Olivenbaum. Manche Pollenarten lösen neuerdings Allergien in Ländern aus, in denen sie bisher keine Rolle spielten.

So ist beispielsweise Ambrosia, das Traubenkraut, seit Jahren Hauptauslöser für Heuschnupfen in Nordamerika. Seit kurzem breitet es sich auch in Europa aus, besonders in Südfrankreich, auf dem Balkan und in der Po-Ebene. In der Folge wurde in Norditalien zuletzt ein dramatischer Anstieg der allergisch bedingten Asthmafälle registriert.

Obwohl die Bedrohung aus der Natur kommt, könnte diese auch zukünftigen Schutz bereithalten. Erika von Mutius vom Haunerschen Kinderspital der LMU München hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Kinder von Bauernhöfen besser vor Allergien geschützt sind als reizärmer aufwachsende Kinder im selben Ort.

Die Luft im Stall, der Kontakt zu Tieren und andere noch unbekannte Faktoren senken das Risiko für Heuschnupfen, Neurodermitis oder Asthma offenbar deutlich.

Dies soll nun für Impfungen genutzt werden. "Wir haben Dreck im Stall abgekratzt und daraus Extrakt gewonnen", erklärt Mutius das ungewöhnliche Vorgehen. Im Labor konnte der Stallstaub, wenn er inhaliert wurde, die Häufigkeit von allergischem Asthma halbieren. Bisher wurde das Experiment zwar nur mit Mäusen gemacht. "In ein, zwei Jahren könnten wir es aber auch bei Menschen versuchen", sagt Mutius.

© SZ vom 14.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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