Süddeutsche Zeitung

Sucht:"Alkohol ist ein erheblicher Krebsrisikofaktor"

Zehntausende Krebsfälle lassen sich auf den Konsum alkoholischer Getränke zurückführen. Experten fordern höhere Steuern und ein Mindestalter von 18 Jahren auch für Bier und Wein.

Mehr als 20 000 Krebsneuerkrankungen und mehr als 8000 Krebstodesfälle lassen sich pro Jahr auf den Konsum von Alkohol zurückführen. Das geht aus dem "Alkoholatlas 2022" des Deutschen Krebsforschungszentrums DKFZ hervor.

Darmkrebs mache mit 45 Prozent den größten Anteil der alkoholbedingten Krebsfälle aus. Der Konsum alkoholischer Getränke fördere zudem die Entstehung von Krebs in Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Leber und der weiblichen Brust. "Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Alkohol ein erheblicher Krebsrisikofaktor ist", sagt Katrin Schaller vom DKFZ in Heidelberg.

Insgesamt ist Alkoholkonsum laut dem Bericht an der Entstehung von mehr als 200 Krankheiten beteiligt, darunter sind etwa auch Schädigungen des Nervensystems oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Für die meisten dieser Leiden wachse das Risiko mit steigendem Alkoholkonsum.

Im Schnitt trinken über 15-Jährige in Deutschland 10,6 Liter reinen Alkohol pro Jahr, etwas mehr als der europäische Durchschnitt von zehn Litern. Rund 16 Prozent der Männer und elf Prozent der Frauen, die wöchentlich Alkohol konsumieren, nehmen riskante Mengen zu sich. Die Schwelle dafür liegt für Männer bei 20 Gramm pro Tag, für Frauen bei der Hälfte. Zehn Gramm Alkohol sind beispielsweise in einem Achtel Wein oder einem Glas Sekt enthalten.

Werbung für Alkohol ist bislang kaum reguliert

Nach Ansicht der Experten ließe sich der Konsum reduzieren, indem man Alkohol verteuert. Derzeit beträgt die Alkoholsteuer 1303 Euro pro Hektoliter reinen Alkohols. Jährlichen Einnahmen aus dieser Steuer von 3,2 Milliarden Euro stehen direkte und indirekte Kosten von 57 Milliarden Euro gegenüber. Dies ergebe sich aus Krankheitskosten sowie geringer Produktivität, Fehlzeiten am Arbeitsplatz und Frühverrentung. In anderen Ländern hat ein Preisanstieg von zehn Prozent den Konsum um sechs Prozent gedrückt, wie Schaller erläutert.

Ausbaufähig ist auch der Jugendschutz. Derzeit dürfen Jugendliche ab 14 Jahren in Begleitung ihrer Eltern Wein und Bier trinken, ab 16 Jahren unbeaufsichtigt. Mit 18 Jahren kommen dann harte Drinks wie Rum, Schnaps und Wodka hinzu. Die Krebsgesellschaften plädieren für ein einheitliches Limit von 18 Jahren für den Konsum aller Arten alkoholischer Getränke, unabhängig davon, ob Eltern dabei sind.

Auch bei der Werbung sehen die Fachleute noch ungenutzte Stellschrauben; bislang gibt es nur das Verbot von Alkoholwerbung vor 18 Uhr im Kino. "Dringend fordern wir zunächst zumindest ein Verbot von Werbung im Kontext von Sportveranstaltungen aller Art", sagt Schaller.

Bereits ein geringer Alkoholkonsum von bis zu 12,5 Gramm Alkohol pro Tag - dies entspricht in etwa einer kleinen Flasche Bier - erhöht das Risiko für die Entstehung von Krebs in Mund und Rachen, der Speiseröhre und der weiblichen Brust. "Durch Alkoholkonsum gehen viele in guter Gesundheit verbrachte Lebensjahre verloren", heißt es in dem Atlas. Die meisten durch Alkoholkonsum verursachten Todesfälle treten demnach im Alter von 20 bis 50 Jahren auf.

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