Zunächst die Vorteile eines Tausende Quadratkilometer großen Algenteppichs auf dem Atlantik: Schwimmende Braunalgen der Gattung Sargassum, auch Golftange genannt, bieten mehr als 200 Arten von Organismen eine Heimstatt. Fische brüten unterhalb der Algen ihre Eier aus, junge Meeresschildkröten finden darin Schutz vor Raubtieren. Etliche Meeresvögel nutzen Sargassum-Teppiche wiederum als Jagdgebiet.
Zum Problem werden die Algen jedoch, wenn sie auf Land treffen – und das ist derzeit in großen Teilen der Karibik der Fall. Die Braunalgen türmen sich an den Stränden der mexikanischen Halbinsel Yucatán auf, verrotten an der Küste Guyanas, verstopfen Häfen auf Puerto Rico. Da sie massenhaft Insekten anziehen und Gase wie Schwefelwasserstoff ausdünsten, bergen die Algen Gesundheitsgefahren für Anwohner. Auf der französischen Insel Martinique musste kürzlich eine Schule wegen der verpesteten Luft schließen. Und natürlich schreckt der Anblick und der stechende Geruch der braungrünen Batzen auch Touristen ab, auf die viele karibische Orte angewiesen sind.

Sargassum machte sich in den vergangenen Jahren immer wieder in der Karibik breit, doch so schlimm wie derzeit war es wohl noch nie. Laut einem aktuellen Bericht der University of South Florida treiben derzeit 38 Millionen Tonnen Algen im Meer – das übertrifft den bisherigen Rekord von 22 Millionen Tonnen im Jahr 2022 deutlich. Und im Juni dürfte die Menge weiter anwachsen. Die Forscherinnen und Forscher aus Florida beobachten die Ausbreitung unter anderem mit Satelliten. Der Algenteppich erstreckt sich demnach vom Golf von Mexiko über die Karibik bis weit hinein in den offenen Atlantik, in etwa auf der Höhe Brasiliens. „Großer Atlantischer Sargassum-Gürtel“ haben Wissenschaftler das Phänomen getauft.
Womöglich liefern Flüsse wie der Amazonas und der Mississippi den Algen die nötigen Nährstoffe
Das ist in Abgrenzung zur Sargassosee weiter nördlich im zentralen Atlantik zu verstehen. Portugiesische Seefahrer durchkreuzten dort Anfang des 16. Jahrhunderts tagelang mit Seegras bedeckte Meeresflächen und gaben der Region ihren Namen. Doch seit 2011 vermehren sich die Algen auch außerhalb der Sargassosee explosiv. Was diese Veränderung ausgelöst hat, ist noch immer nicht ganz klar. Womöglich konnten einige Algen von starken Winden und einer Atlantikströmung angetrieben in Richtung der Tropen vordringen.
Vermutlich finden die Algen dort für sie hervorragende Bedingungen vor – etwa verschmutzte Meere. „Der Mensch verändert den Nährstoffkreislauf, indem er Düngemittelabflüsse und Industrieabwässer in die Flüsse leitet, wodurch Phosphate und Nitrate in die Flusssysteme und in die Ozeane gelangen. Dies sind wichtige Nährstoffe für das Pflanzenwachstum“, schreibt Farah Nibbs, Professorin für Gesundheitssysteme an der University of Maryland, in einem Beitrag.
Als Nährstoffquelle wird etwa der Amazonas verdächtigt, der 2000 Kilometer südöstlich der Karibik in den Atlantik mündet. An seinen Ufern breiten sich seit Langem Flächen für Viehhaltung und Landwirtschaft aus, was die Gewässer belastet. „Ein weiterer Verursacher ist der Mississippi, der nährstoffreiche Abwässer aus Landwirtschaft und Industrie in den Golf von Mexiko leitet“, so Nibbs. Auch der Kongo-Fluss in Afrika könnte den Algen Nährstoffe geliefert haben. Hinzu kommt, dass die Weltmeere seit 2023 ungewöhnlich heiß sind und sich aufgrund der Erderwärmung weiter aufheizen, was das Algenwachstum ebenfalls begünstigen dürfte.
US-Ozeanografen konnten 2023 in einer Studie zeigen, dass die Golftangen im Großen Atlantischen Sargassum-Gürtel mehr Phosphor und Stickstoff enthalten als ihre Verwandten in der Sargassosee. Das macht Nährstoffüberschüsse als Ursache für die Algenblüten wahrscheinlich. Es müsse aber noch geklärt werden, ob die Nährstoffe aus Flüssen stammen, aus der Atmosphäre oder aus tieferen Schichten der Ozeane, so die Forscher.

Die Karibik hat wohl selbst wenig zu dem Problem beigetragen, muss nun aber mit den Folgen fertigwerden. An den Stränden Sint Maartens – des niederländischen Teils der Insel St. Martin – rückten deshalb kürzlich Löffelbagger aus, um zumindest einige Abschnitte von den Algenbergen zu befreien. Andernorts behilft man sich mit Barrieren im Meer. Vor französischen Karibikinseln soll demnächst ein Spezialschiff zum Einsatz kommen, um die Küsten zu säubern. Eine Idee ist, die Algen als Biomasse zu nutzen oder als Rohstoff in der Pharmaindustrie. Jedoch ist Sargassum mitunter sehr reich an gesundheitsschädlichem Arsen, was die Verwendungsmöglichkeiten stark einschränkt.