Aids-Medikamente:Eine Pille für Safer Sex?

Neue Medikamente sollen gegen HIV immun machen. Die medizinischen Studien laufen noch - doch es gibt bereits einen Schwarzmarkt.

Hanno Charisius

Etwa zwei Prozent der Weißen sind von Natur aus immun gegen Aids. Eine Mutation in ihrem Erbgut verhindert, dass die Aids-Viren in ihre Körperzellen eindringen.

Aids-Medikamente: Die Medikamente gegen Aids werden in Afrika getestet.

Die Medikamente gegen Aids werden in Afrika getestet.

(Foto: Foto: AP)

Seit einem Jahr ist das Medikament Maraviroc zugelassen, das diesen Schutzeffekt nachahmt. Es blockiert eben jene Virus-Andockstellen auf den Zellen, die bei immunen Menschen wegen der Mutation fehlen. Die Arznei wäre daher "von der Theorie her geeignet", um einer Ansteckung vorzubeugen, sagt der Infektiologe Gerd Fätkenheuer von der Universitätsklinik Köln.

Eine vorbeugende Pille, auch Präexpositionsprophylaxe (PrEP) genannt, ist die jüngste gegen HIV - und zugleich heftig umstritten. Finanziert von der US-Gesundheitsbehörde laufen derzeit Studien an Paaren in den USA, Brasilien, Thailand, Indien und Südafrika.

Dabei ist jeweils ein Partner HIV-positiv und der andere nicht. In anderen Studien wird der erhoffte Schutz gegen den Aidserreger an Personengruppen erprobt, die ein besonders hohes Ansteckungsrisiko tragen - Prostituierte zum Beispiel, Homosexuelle und Drogenabhängige.

Getestet werden zwei Anti-Aids-Pillen. Eine enthält den Wirkstoff Tenofovir, die andere zusätzlich Emtricitabin. Beide Arzneien greifen das Virus selbst an und verhindern, dass es sich in befallenen Zellen vermehrt. Sie verhindern aber nicht den Befall der Zellen wie Maraviroc.

Dass zunächst Wirkstoffe getestet werden, die zu einem späteren Zeitpunkt der HIV-Infektion wirken als Maraviroc, habe historische Gründe, sagt Fätkenheuer. Sie seien bereits seit Jahren auf dem Markt und gelten als relativ nebenwirkungsarm und sicher. Weil es bislang wenig Erfahrung mit Maraviroc gibt, wird dieser Wirkstoff bislang nur HIV-Patienten verabreicht, bei denen die meisten anderen Therapieversuche versagt haben.

Nicht so sicher wie Kondome

In frühestens einem Jahr erwarten die Forscher Ergebnisse. Trotzdem habe sich rasch ein Schwarzmarkt für Anti-Aids-Medikamente entwickelt, sagt Fätkenheuer. Manche Menschen werfen die Mittel vor einer Partynacht ein, um dann Sex ohne Kondome zu haben.

"Es ist erstaunlich", sagt Fätkenheuers Kollege Tim Kümmerle, "wie viele Menschen für ihre sexuelle Freiheit bereitwillig Medikamente einnehmen und hohe Risiken in Kauf nehmen." Zum Beispiel sei derzeit völlig unbekannt, "was die Arzneien in einem Körper machen, in dem gar keine Viren sind", sagt Fätkenheuer.

Die erste systematische Untersuchung von Tenofovir zu Vorsorgezwecken begann im Jahr 2004 in Afrika. Bis heute sind in der Versuchsgruppe kaum mehr ungewollte Effekte aufgetreten als in der Vergleichsgruppe, die nur ein Scheinmedikament bekam. Ob das Medikament auch schützt, konnte die Untersuchung allerdings nicht eindeutig belegen. Darauf geben lediglich Affenversuche Hinweise. Völlig unklar ist auch, ob das sehr anpassungsfähige Aids-Virus nicht Resistenzen gegen die Mittel bildet.

So zuverlässigen Schutz wie ein Kondom kann wohl kein Medikament bieten. "Niemand glaubt, dass das hundertprozentig effektiv sein wird", sagt Lynn Paxton, die bei der US-Seuchenbehörde CDC die Präventionsstudien überwacht. Optimisten hoffen auf eine Senkung des Infektionsrisikos um 60 bis 70 Prozent.

Damit geht jedoch die Sorge einher, dass der vermeintliche Schutz zu riskanterem Sex verleiten könnte - und damit sogar die Ausbreitung des Virus beschleunigt. Dann wären die zur Vorsorge eingesetzten Arzneien auch gleich für die Behandlung einer Infektion wirkungslos. Paxton sieht in der Prophylaxe deshalb eine Ergänzung, aber keinen Ersatz für Kondome.

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