Aggressiver Schädling:Italien zittert vor dem Palmenrüssler

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Sizilien hat längst den Palmennotstand ausgerufen. Von der Insel aus frisst sich ein Schädling rasant gen Norden.

Andrea Bachstein

Für einen Käfer sieht er ganz nett aus. Rostrot mit dunklen Tupfern und prägnantem Rüssel. Aber er ist gemein. Denn auf nichts anderes als eines der Wahrzeichen des Südens hat er es abgesehen. Unersättlich frisst Rhynchophorus ferrugineus sich durch das Innere von Palmen, bis diese einen stillen, hässlichen Tod sterben.

Der Palmenrüssler oder auch Roter Palmen-Rüsselkäfer genannteRhynchophorus ferrugineusals Käfer (oben), als Puppe im Kokon und als Larve (unten rechts). (Foto: Foto: dpa)

Kürzlich wurde gemeldet, dass es auch die Palmen erwischt hat, unter denen einst Charlton Heston in Latina in Latium als Ben Hur Heldenfigur gemacht hat. Lange schien den Palmenrüssler bei seinem verheerenden und rasanten Zug gen Norden nichts aufhalten zu können, inzwischen gibt es immerhin ein paar Erfolge. Aber in der Einladung zu einer internationalen Expertenkonferenz, die unlängst in San Remo stattfand, hieß es: "Die Wahrheit ist, dass wir noch nicht über wirklich wirksame Mittel zur Bekämpfung des Palmenrüsslers verfügen." Im Winter ruht der Käfer, aber die Fachleute bereiten sich jetzt vor.

Der ganze Mittelmeerraum ist von Rhynchophorus ferrugineus geplagt. Aus Asien stammend hatte der Käfer 1993 den Sprung nach Europa geschafft, da tauchte er erstmals in Spanien auf. Sein Einfall in Italien wird auf 2004 datiert, aus Ägypten importierte Pflanzen brachten ihn ins toskanische Pistoia. In Sizilien, wo er 2005 ankam, ist Palmennotstand ausgerufen, 13.000 Bäume sind dort befallen, Tausende mussten gefällt werden. Auch die malerischen Bestände der Inselmetropole Palermo sind stark betroffen, die Skyline der Stadt ist bedroht. Die sechs riesigen Bäume vor dem Normannenpalast stehen bereits nicht mehr.

Auch im 700 Kilometer nördlicheren Rom haben Botaniker Alarm geschlagen: Bis 2015 könnten die Phönixpalmen der Ewigen Stadt verschwunden sein. Der Palmenrüssler ist außerdem in Ligurien und an der Adria am Werk, und er könnte auch dem Tourismus schweren Schaden zufügen. Anfang Januar konferierten in San Benedetto del Tronto an der südlichen Adria Vertreter des Unternehmerverbandes Confindustria mit Wissenschaftlern und Behörden - eine Rivieria delle Palme ohne Palmen, das wäre Urlaubern schwer vermittelbar.

Der Befall mit dem Insekt ist meldepflichtig in Italien - in Deutschland übrigens auch. Leider wird der Schädling häufig erst bemerkt, wenn es zu spät ist. Der Palmenrüssler versteckt sich im Inneren des Baums, vermehrt und ernährt sich dort in seinen verschiedenen Entwicklungsstadien. Angeblich kann man die Fressgeräusche hören, wenn man das Ohr an den Stamm legt. Die Larve bohrt dort Kanäle, den Pflanzen geht der Saft aus, die Palme verliert erst ihre Krone, die Wedel werden braun, senken sich, und das war es dann meistens. Der gut drei Zentimeter große Palmenrüssler dagegen ist ziemlich resistent. Er verträgt Temperaturen bis 50 Grad, Palmen kann er auf 20 Kilometer Entfernung riechen. Jedes Weibchen legt bis zu 400 Eier.

"Adoptier eine Falle"

Verschiedenste Bekämpfungsmethoden sind versucht worden, alle sind aufwendig und erinnern manchmal an die Methoden der Ghostbuster. Mit Mikrowellen rücken einige dem Käfer zu Leibe, die Geräte werden auf einem Kran ringförmig um den Stamm angeordnet, um die Brut mit elektromagnetischer Energie zu töten. Mit ätherischen Ölen wird experimentiert und mit Nematoden, die in Larven und Käfer eindringen. In Palermo läuft die Aktion "Adoptier eine Falle", Freiwillige sollen Pheromonfallen für die Käferweibchen auslegen und kontrollieren.

Die höchste Erfolgsquote haben Gifte. Aber es bringt nichts, Palmen einfach zu spritzen. Vielmehr ist eine "Endotherapie" vonnöten: Insektizide werden wiederholt über Schläuche ins Innere der Palmen gepumpt. Die Bekämpfung ist dabei auch ein Geldproblem, die Endotherapie kann pro Baum Hunderte Euro kosten. Und schlussendlich ist auch das Fällen und Vernichten nicht billig. Das überfordert den Haushalt vieler Kommunen.

Nach Rom kam der Feind vom Meer aus. In Ostia, dem Badestrand der Hauptstadt, sind die meisten Palmen krank oder schon tot. Innerhalb weniger Wochen nach dem Eintreffen des Palmenrüsslers im Stadtgebiet von Rom waren schwere Schäden zu sehen, es gibt kaum noch eine Gegend, in der er nicht aufgetaucht wäre. Die chronisch klamme Kommune hat eine Taskforce eingerichtet für die Käferschlacht. Etwa 2500, nach anderen Angaben 4000 städtische Palmen gibt es in Rom, mindestens nochmals 2500 in Privatgärten. Die sind Teil des Problems. Laien erkennen den Schaden oft zu spät oder lassen Bäume nicht sachgemäß entsorgen.

Verschwänden die Phönixpalmen, wäre sie für mindestens eine Generation verloren. Der Käfer killt einen Baum in ein paar Wochen. Die Palme braucht aber 70 bis 80 Jahre, um zu ihrer majestätischen Höhe emporzuwachsen.

© SZ vom 04.02.2010/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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