Süddeutsche Zeitung

Afrika:Gegen Dürre versichert

Hilfe für afrikanische Farmer einmal anders: Wenn in Kenia die Ernte hinter den Erwartungen zurückbleibt, erhalten manche Bauern Geld von der Versicherung.

Christopher Schrader

Zugegeben, diese Nachricht liest sich zunächst wie das sprichwörtliche Fahrrad, das in China umgefallen ist. Sie lautet: In Embu, einer Provinzstadt in Kenia, haben 136 Maisbauern Versicherungszahlungen erhalten, weil der Ertrag ihrer Felder vermutlich die Erwartungen um 15 Prozent verfehlt.

Bemerkenswert daran allerdings ist schon die Tatsache, dass Bauern in Kenia überhaupt eine Versicherung abschließen können. Sie ist Teil eines umfangreichen Hilfsprogramms, das afrikanische Farmer in das zunehmend globalisierte wirtschaftliche System einbinden sowie ihre Erträge und ihr Einkommen verbessern soll.

Die Versicherung mit dem Namen "Kilimo Salama" konnten die Maisbauern abschließen, als sie Anfang dieses Jahres Saatgut und Dünger kauften. Zusätzlich zu den 190 Kenianischen Schilling (ca. 1,90 Euro) für das Kilogramm Mais-Saat und 500 Shilling für den Zehn-Kilogramm-Sack Dünger konnten sie die Einkäufe für fünf Prozent Zuschlag gegen Dürre versichern.

Die Entscheidung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, hat dann kein Außendienstmitarbeiter gefällt, die Bauern mussten auch keine Formulare ausfüllen: Die zentral abgelesenen Daten einer Wetterstation waren für die Versicherung ausschlaggebend.

Solche sogenannten Index-Versicherungen sind inzwischen ein verbreitetes Mittel, Menschen in Entwicklungsländern diese Art von Daseinsvorsorge anbieten zu können. Andere Programme nutzen dazu auch öffentlich verfügbare Satellitendaten und -bilder. Im Marsabit-Distrikt am Turkana-See im Norden Kenias werden so zum Beispiel Kuh- und Ziegenhirten gegen Dürre versichert (LINK); dort läuft die Versicherungsdauer Ende September ab.

Andrew Mude vom Internationalen Institut für Viehforschung in Nairobi, der dieses Programm geplant hat, nimmt allerdings anhand der bisherigen Messdaten nicht an, dass die Versicherung im ersten Jahr ihres Bestehens zahlen muss.

Die Messung in Embu, gelegen zwischen Nairobi und dem Mount Kenia, zeigte hingegen, dass der Regen in dieser Saison um 15 Prozent hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Darum haben die Farmer aus der Nähe 15 Prozent des versicherten Preises ihrer Einkäufe zurückbekommen - 270 der im Durchschnitt ausgegebenen 1800 Shilling für Saatgut und Dünger.

Die Versicherung sollte den Bauern, so erklären es die Planer, die Sorge nehmen, dass sie ihre Ersparnisse verlieren, wenn sie in einem Jahr Saatgut und Dünger kaufen, in dem später eine Dürre die Ernten vernichtet.

"Die Farmer konnten so das Konzept der Versicherung für einen geringen Einstandspreis ausprobieren", sagt Rose Gosling von der gemeinnützigen Stiftung des Schweizer Chemie- und Saatgutkonzerns Syngenta. "Im kommenden Jahr können die Bauern auch ihre Erträge versichern."

Ein Rechenbeispiel macht die Unterschied klar. Dieses Jahr konnten die Farmer nur ihre Investionen von maximal 20.000 Shilling pro Hektar Anbaufläche versichern, im kommenden Jahr aber auch die Erlöse von 95.000 Shilling (nach heutigen Marktpreisen). Die Investitionen der Bauern waren allerdings deutlich niedriger und ihre Felder offenbar auch viel kleiner als ein Hektar.

Abgewickelt wird die Versicherung über Handys. Der Saatverkäufer macht mit seinem Smartphone ein Foto des Kaufbelegs und schickt ihn an die Zentrale, der Bauern erhält als Quittung eine SMS. Auch die Zahlungen wurden jetzt über das Telefon abgewickelt:

Die Bauern können sich ihr Geld nach der Benachrichtigung beim Saatguthändler oder an Tankstellen und Supermärkten des M-Pesa genannten Systems auszahlen lassen. Über die Telefone erhalten die Bauern auch Informationen über die Preisentwicklung für ihr Getreide, damit sie nicht mehr von reisenden Zwischenhändlern betrogen werden. Die SMS kostet dort einen kenianischen Schilling, umgerechnet einen Euro-Cent.

Zu einem seit einigen Jahren laufenden Hilfsprogramm, das vor allem mit amerikanischer Entwicklungshilfe finanziert wurde, gehört zudem der Zugang zu importiertem Saatgut. Es verspricht den Bauern zusammen mit genügendem Düngereinsatz etwa drei- bis viermal so hohe Erträge pro Fläche als bei traditioneller Aussaat, rechnen die US-Helfer von der Organisation ACDI/VOCA vor.

Trotz der Kosten für die gekauften Ausgangsstoffe können die Farmer ihr Einkommen mehr als verdoppeln. Weil die Bauern aber die Investition am Anfang als Risiko sahen, ist die nun eingeführte Versicherung eine logische Ergänzung. Getragen wird das Angebot von einem lokalen Versicherer und dem Mobilfunkanbieter Safaricom, unterstützt von der Syngenta-Stiftung.

Es ist nicht als Zuschussbetrieb gedacht, sondern soll sich für die beteiligten Firmen rechnen. Die Hersteller der versicherten Produkte, darunter Syngenta übernehmen dabei die Hälfte der eigentlich fälligen, mathematisch kalkulierten Prämien, die andere Hälfte zahlen die Bauern.

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