Die Serie "Earth Talks" widmet sich geologischen Phänomenen. Alle Folgen hier. Der Lac Assal ist ein Gewässer der Extreme. In Dschibuti am Rand einer Lavawüste gelegen, gehört er mit 35 Prozent Salzgehalt zu den salzigsten Seen der Erde. Mit einem Seespiegel von mehr als 150 Meter unter Meeresniveau markiert er zudem den tiefsten Punkt Afrikas. Und damit auch des Afar-Dreiecks, einer Senke, die mit etwa 175 000 Quadratkilometern Fläche fast vier Mal so groß ist wie die Schweiz. Seit 30 Millionen Jahren ist die Erde dort ständig in Bewegung. Hunderte Meter bis Kilometer lange Risse und Brüche durchziehen den Wüstenboden. Manchmal quillt Lava aus großen und kleinen Kraterlöchern. Wasser aus unterirdischen Quellen und von sporadisch fließenden Flüssen sammelt sich in abflusslosen Becken. Weil es bei Temperaturen um die 30 bis mehr als 40 Grad Celsius rasch verdunstet, entstehen Salzseen wie der Lac Assal oder der benachbarte Lac Abbe.
Erdbeben lassen immer wieder den Untergrund im Afar-Dreieck erzittern, reißen den Boden auf und spalten sogar alte Vulkankegel. Lava fließt aus den Spalten und Vulkane brechen aus. Sobald sich die Erde wieder beruhigt hat, erkaltet die Lava zu krustigem schwarzen und braunen Gestein - bis zur nächsten Erschütterung. Vor allem aus der Luft sind die Spuren dieser gewaltigen Kräfte deutlich zu sehen. Die Ursache liegt tief im Innern der Erde. Dort dringt heißes zähflüssiges Gesteinsmaterial - ein sogenannter Mantle Plume - aus dem Erdmantel nach oben und breitet sich unter der spröden Gesteinskruste des Planeten aus wie ein gigantischer Pilzkopf. Dieser Mantle Plume, der einen Durchmesser von einigen Hundert Kilometern haben kann, drückt dabei so stark gegen die Erdkruste, dass sie sich dehnt und schließlich aufreißt und dabei einsinkt.
Das Afar-Dreieck grenzt im Westen an das äthiopische Hochland, im Süden an das Somali-Hochland und im Nordosten endet es an der Küste, an der das Rote Meer in den Golf von Aden übergeht. Die vielen Spalten und Risse verlaufen oft parallel, in drei verschiedenen Hauptrichtungen - eine Bruchzone erstreckt sich nach Nordwesten ins Rote Meer hinein, die andere nach Osten in den Golf von Aden. Die dritte Bruchzone, der Ostafrikanische Grabenbruch, verläuft vom Afar-Dreieck aus geradewegs nach Süden. Entlang dieser Bruchlinien dehnt sich die Erdkruste um 10 bis 20 Millimeter im Jahr. Die Bruchzonen im Roten Meer und im Golf von Aden trennen den afrikanischen Kontinent von der arabischen Halbinsel. Entlang dem Ostafrikanischen Graben, der sich 6000 Kilometer lang nach Süden erstreckt, wird sich die afrikanische Platte wohl in einigen Millionen Jahren in zwei Teile aufspalten - in eine nubische Platte und eine somalische.
Die Unruhe im Untergrund hat im Afar-Dreieck spektakuläre Landschaften hervor gebracht. Im Ghoubbet al Kharab, einer Bucht nahe der Hauptstadt von Dschibuti, umspült türkisfarbenes Meerwasser dunkle Lavafelder und Ausbruchskrater. Neben solchen unzähligen kleinen Vulkankegeln gibt es im Afar-Dreieck auch große, aktive Vulkane...
Einer dieser Feuerberge ist der Erta Ale, der rund 300 Kilometer nordwestlich des Lac Assal liegt. Der Gipfelbereich des flachen Bergrückens ist eingesunken, Geologen sprechen von einer Caldera. Sie beherbergt zwei Ausbruchslöcher. Aus einem steigt ätzender Dampf auf - und im Innern des anderen brodelt ein Lavasee.
Der Spiegel des Lavasees schwankt. Manchmal fließt die Schmelze auch über den Kraterrand hinaus und erkaltet zu einer neuen Schicht auf dem Calderaboden. Im Dezember 2003, als diese Aufnahme entstand, brodelte das Magma 80 Meter tief. Um etwas von der Schmelze zu sehen, musste man nahe an den Kraterrand herangehen. Eine schwarze, metallisch glänzende Abkühlungsschicht hatte sich auf der glühenden Lava gebildet, wie Haut auf heißer Milch. Die Schmelze darunter brodelte und wogte wie die Wellen eines Meeres. Immer wieder riss die dunkle Haut auf, und glühende Lavafontänen schossen zehn oder 20 Meter empor. Die heiße Luft, die durch das Kraterloch hochstieg, brannte im Gesicht. Dieser Lavasee hat den Erta Ale berühmt gemacht. Nur in sieben der etwa 600 Vulkane, die seit Menschengedenken aktiv waren, bergen in ihrem Schlot einen Lavasee.
Etwa 80 Kilometer nördlich des Erta Ale, geht es im Geothermalgebiet von Dallol nahe der Grenze zu Eritrea etwas ungefährlicher zu. Wasser, das einst über dem äthiopischen Hochland als Regen niederging und versickerte, quillt dort, erhitzt und beladen mit Mineralien, wieder aus dem Boden heraus und kreiert einen der bizarrsten Landstriche der Welt. Sobald das Wasser an der Erdoberfläche abkühlt und mit der Luft in Berührung kommt, setzen sich die gelösten Mineralien aus dem Untergrund ab. Weiße, dicke Salzkrusten säumen Becken mit heißem, hellgrün schimmerndem Wasser. Vermutlich Eisen- und Schwefelverbindungen färben die Krusten stellenweise orange, braun und gelb. Oder das aus dem Boden sprudelnde Wasser baut mannshohe Salzkamine auf. Sobald das Wasser versiegt, fangen die Gebilde an zu zerbröseln.
Als wären Salzseen, Vulkane, Heißwassergebiete und Lavawüsten nicht vielseitig genug, gibt es im Afar-Dreieck auch noch Gegenden wie das Sac Allol. Dort ist der schwarze Felsuntergrund von kilometerlangen Bruchlinien in große Blöcke zerteilt, die stufenartig gegeneinander versetzt sind. Auch diese Treppenstufen zeugen vom Druck aus der Tiefe, der die Erdoberfläche dehnt. Wie sieht die Zukunft des Afar-Dreiecks aus? Die Tiefebene könnte weiter einsinken, meinen Geologen. Das Rote Meer könnte das Afar-Dreieck fluten, sich in den ostafrikanischen Graben hinein ausdehnen und so könnte ein neuer Ozean zwischen der afrikanisch-nubischen und der afrikanisch-somalischen Platte entstehen, die sich mit der Zeit immer weiter auseinander und von der arabischen Platte weg bewegen. Sollte der Druck aus der Tiefe jedoch allmählich nachlassen, dann beruhigt sich der Untergrund im Afar-Dreieck und Afrika bleibt so, wie es heute ist.
Die Aufnahmen in diesem Text stammen aus dem Fotoblog "Earth Talks" von Bernhard Edmaier. Sie erscheinen hier in einer Kooperation. Mehr dazu auf www.bernhard-edmaier.de/blog