Adler in Deutschland:Das Wappentier kehrt zurück

So viele Adler wie heute haben in Deutschland seit 100 Jahren nicht mehr gebrütet. Fisch-, Stein- und Schreiadler vermehren sich zusehends. Doch noch immer gibt es Probleme mit dem Nachwuchs.

Robert Lücke

Der große grauweiße Vogel kommt mit mächtigen Flügelschlägen heran. Über seinen Kopf zieht sich ein markanter schwarzer Streifen wie eine Augenbinde, und hinten hat er einen kurzen weißen Schopf, wie er den Fischadler kennzeichnet.

Ein in Bayern geborener Seeadler

Ein in Bayern geborener Seeadler.

(Foto: Foto: dpa)

Er stürzt sich metertief ins Wasser und kommt nach einigen Sekunden mit einem Fisch in den Krallen wieder heraus. Für dieses atemberaubende Erlebnis muss man nicht nach Alaska oder Feuerland fahren. Es reicht der Dümmersee bei Osnabrück.

Seit drei Jahren brütet dort ein Fischadlerpaar. Vergangenes Jahr zog es in seinem Nest auf einem Strommasten drei Jungvögel auf. Fischadler galten schon fast als ausgerottet - genauso wie die drei anderen Adlerarten in Deutschland. Doch die Adler kehren zurück. So viele wie im Jahr 2006 haben in Deutschland seit mehr als hundert Jahren nicht mehr gebrütet.

Peter Görke, Adlerexperte in Niedersachsen, berichtet, dass es diesem Jahr wohl fünf Adlerpaare in Niedersachen sind, auch am Steinhuder Meer hat im Sommer wieder ein Adlerpaar gebrütet und gleich drei Jungvögel großgezogen. Hinzu kommen drei oder vier Paare in Bayern, eines treibt sich in Rheinland-Pfalz herum, allerdings ohne Eier zu legen.

Ehrenamtliche Horstbewachung brachte den Bruterfolg

Ein wesentlicher Grund für die Rückkehr der Adler ist das Verbot von DDT. Das Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan reicherte sich in der langen Nahrungskette an, an dessen Ende der Adler steht.

DDT ließ die Eierschalen brüchig und die Tiere unfruchtbar werden, und erst seit es Mitte der 1970er-Jahre verboten wurde, können sich die Adlerbestände erholen. 1990 gab es 160 Brutpaare, 1995 bereits 300, und in diesem Jahr rechnet Daniel Schmidt, Fischadler-Experte beim Nabu-Vogelschutzzentrum Mössingen mit etwa 500 Paaren in ganz Deutschland.

Geradezu euphorisch sind Ornithologen beim Seeadler. 1984 gab es in der alten Bundesrepublik gerade noch vier Paare - alle in Schleswig Holstein - in der DDR lebten noch etwa hundert Paare des größten nordeuropäischen Greifvogels, dessen Flügelspannweite 2,50 Meter misst. Heute sind es fast 500 Paare in ganz Deutschland, allein in Schleswig-Holstein über 50, in Niedersachsen 20, auch in Bayern am Altmühlsee brütet der Vogel seit letztem Jahr wieder.

Dänemark wurde von Schleswig-Holstein aus wieder besiedelt und in den Niederlanden hat der Seeadler 2006 zum ersten Mal wieder gebrütet. Zu verdanken ist das, wie beim Fischadler, dem DDT-Verbot aber auch der Horstbewachung. Zu Beginn der Brutzeit, meist Ende Februar oder Anfang März, ist der Adler nämlich sehr empfindlich, was Störungen durch Fußgänger, Forstarbeiten, Neugierige oder Jäger angeht.

Obendrein wurden in den 1980er-Jahren die wenigen Paare zum Opfer von Eierdieben, die im Auftrag von Eiersammlern die Horste ausnahmen. Eine kleine Gemeinschaft von Vogelschützern erreichte, dass die Brutgebiete, meist abgeschiedene Buchenhochwälder, von Frühjahr bis Sommerende gesperrt wurden.

Die Mitglieder fingen 1969 an, die verbliebenen Horste zu bewachen. Tag und Nacht hockten sie in klapprigen Wohnwagen im Wald und passten bei Wind und Wetter auf, dass niemand den Adlern zu nahe kam. Nach und nach erholten sich die Bestände.

Das Wappentier kehrt zurück

"Es werden immer mehr", sagt Rainer Kollmann von der "Projektgruppe Seeadlerschutz" in Schleswig-Holstein. Schon ein paar Mal musste Kollmann seine Ansicht revidieren, wonach es langsam "eng werde" in Holsteins Wäldern. Denn Adler brauchen ein viele Quadratkilometer großes Revier. Doch die Tiere weichen in Gebiete aus, in denen es noch keine Adler gibt, zum Beispiel an die Unterelbe oder die nordfriesische Wattenmeerküste.

Trotz allem reicht der Nachwuchs nicht aus

Dort nehmen sie, die sonst in mächtigen Buchen oder Kiefern horsten, mit Pappeln vorlieb. Vorausgesetzt, das Nahrungsangebot stimmt: neben allerlei Wasservögeln auch Fische. "Wenn es so weitergeht, dann ist der Seeadler bald überall", sagt der Adlerexperte Peter Hauff.

Etwas schwieriger ist die Situation beim Steinadler. Er ist fast genauso groß wie der Seeadler, hat riesige Fänge, mit denen er problemlos den Schädel eines Rehs zerquetschen kann. Früher dachte man, er fräße Schafe und Kinder. Man schoss auf die Vögel, legte Gift aus und stellte Fallen auf.

Heute besiedelt der Steinadler, von dem es einst Tausende Tiere gegeben haben muss, in Deutschland nur noch die Alpen, an die 50 Paare werden es sein, schätzen die Adlerexperten. Einer davon ist Hans-Joachim Fünfstück vom bayerischen Landesamt für Umwelt. Dort wird ein bayernweites Artenhilfsprogramm für den Steinadler koordiniert. Fünfstück erzählt, dass es in den vergangenen Jahrzehnten wieder mehr Steinadler geworden seien.

Aber die Vögel produzieren zu wenig Nachwuchs: Auf kümmerliche 0,25 Junge pro Jahr und Paar kommen die bayerischen Adler im Schnitt, was bedeutet, das viele Paare gar kein Junges hochbringen. Woran das liegt, weiß auch Fünfstück nicht genau.

"Es hat wohl viele Ursachen. Vielleicht streifen zu viele Jungadler aus Österreich und der Schweiz umher und stören die brütenden Altpaare, oder der Freizeitrummel in den Alpen mit Klettern und Paragliding stört die Tiere beim Brüten und Jagen."

Auch der Schreiadler siedelt sich wieder an

Nur in abgeschiedenen, unerreichbaren Felswänden baut der Steinadler seinen mächtigen Horst. So wie im Leutaschtal, wo er unterhalb der Dreitorspitze brütet. Umringt von atemberaubenden Felsmassiven steht man unten und sieht den riesigen braunen Adler anfliegen, er schleppt ein Murmeltier in den Fängen und legt es seinem Jungen hin, das in der Adlerburg hoch oben im Fels auf Futter wartet. Es fällt auf, wie groß der Adler wirklich ist, beinahe doppelt so groß wie ein Bussard, ein Rabe schrumpft neben ihm auf Amselformat.

Ein solcher Anblick wird in den Alpen insgesamt häufiger, in vielen Ländern gehen die Bestände des Steinadlers nach oben, auch in Deutschland war das lange Zeit so. "Aber jetzt sind die geeigneten Reviere bei uns, zumindest in den Alpen, alle besetzt", sagt Hans-Joachim Fünfstück. Er hofft, dass der Steinadler sich auch wieder im Flachland ausbreitet, wo er früher auf Bäumen sein Nest baute.

Der Schreiadler, der kleinste heimische Adler, ist genau dort zu Hause: in möglichst ruhigen, großen Wäldern, in denen der scheue Greifvogel Mäuse und anderes Kleingetier jagen kann. Bis vor kurzem gab es die Art in Deutschland nur im Osten Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs: etwa 120 Paare.

Doch seit Mitte der 1990er-Jahre brüten fünf Schreiadlerpaare wieder im Hakel in Sachsen-Anhalt, einem großen Waldgebiet östlich des Harz. Ob sich der Schreiadler demnächst auch nach Bayern, die Lüneburger Heide und nach Holstein ausbreitet, wo er bis ins frühe 20. Jahrhundert vorkam, ist nicht vorhersagbar. "Wir sind aber optimistisch", sagt Peter Hauff.

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