Academy Award:So gewinnt man einen Oscar

Wer darauf hofft, die begehrte Auszeichnung zu erhalten, sollte nicht zu sehr auf die eigene schauspielerische Leistung setzen. Es sind andere Kriterien, die den Ausschlag für eine Nominierung geben.

Markus C. Schulte von Drach

Den Oscar als beste Hauptdarstellerin oder bester Hauptdarsteller erhalten natürlich jene Schauspieler, die die größte schauspielerische Leistung gezeigt haben. Das möchte man zumindest annehmen.

Academy Award: Eine bekannte Frau in einem ernsten Film: Helen Mirren erhielt 2007 den Oscar für ihre Rolle als Elisabeth II. in Stephen Frears' Film "Die Queen".

Eine bekannte Frau in einem ernsten Film: Helen Mirren erhielt 2007 den Oscar für ihre Rolle als Elisabeth II. in Stephen Frears' Film "Die Queen".

(Foto: Foto: AP)

Doch Akteure, die die Trophäe begehren, sollten besser nicht so sehr auf das eigene Können setzen. Wichtiger ist es, darauf zu achten, in welchen Filmen man auftritt.

Das belegt eine Studie der Harvard University in Cambridge, USA.

Mit den Erkenntnissen der Forscher lassen sich auch manche Entscheidungen der Oscar-Jury erklären, die das Publikum in der Vergangenheit überrascht haben. Offenbar spielen eine ganze Reihe von Kriterien eine Rolle, die mit dem Können der Akteure relativ wenig zu tun haben. Kriterien übrigens, die auch den Jury-Mitgliedern vermutlich nicht bewusst sind.

Der erste Schritt zum Oscar ist die Nominierung. Und der erste Schritt zur Nominierung ist, nicht in einer Komödie aufzutreten. "Die Chancen, für den Academy Award nominiert zu werden, sind erheblich größer für Schauspieler, die in der Zeit vor der Oscar-Vergabe in einem Drama zu sehen sind", erklärt Gabriel Rossman von der Harvard University. "Es zahlt sich wirklich aus, eine Königin des Dramas zu sein."

Wobei es tatsächlich besser ist, eine Königin zu sein als ein König. Denn, so die Erkenntnis der Forscher, auf Platz drei der Liste der wichtigsten Kriterien steht tatsächlich das Geschlecht: Frauen können sich erheblich größere Hoffnungen auf eine Nominierung machen als Männer.

Wie auf ihr Geschlecht haben die Akteure auch keinen Einfluss auf den zweitwichtigsten Faktor: die Zahl der Filme, die in einem Jahr überhaupt berücksichtigt werden. Je weniger zu sehen waren, desto besser. Schließlich ist dann die Konkurrenz kleiner, so Rossman.

Finger weg von Komödien

"Die Chancen auf die Nominierung werden großteils bereits lange vor dem Zeitpunkt festgelegt, an dem die Kameras eingeschaltet werden", fügt Studienleiterin Nicole Esparza hinzu.

"Zu der Zeit nämlich, als das Drehbuch gekauft, der Regisseur angeheuert und die Besetzung festgelegt wurden." Es sei schon überraschend, wie viele Variablen hier eine Rolle spielten, die nichts mit dem Können der Schauspieler zu tun haben.

Esparza und ihre Kollegen hatten in der Internet Movie Database alle Filme herausgesucht, die zwischen 1927 - dem Jahr der Gründung der Academy of Motion Picture Arts and Sciences - und 2005 für Oscars in Frage kamen.

Dann überprüften sie, wie viele Filme das jedes Jahr waren, das Genre der Filme, die Größe des jeweiligen Schauspieler-Ensembles, das Geschlecht der Schauspieler, die Verbindung der Akteure mit der Filmindustrie sowie die Zahl vergangener Oscar-Nominierungen für diese sowie für die Regisseure und Drehbuchautoren.

Insgesamt gab es im untersuchten Zeitraum 19.351 Filme mit 171.539 Auftritten von 39.518 Schauspielern, die für eine Oscar-Verleihung in Frage gekommen wären. Und Schauspieler, die in einem Drama aufgetreten waren, hatten neunmal so große Chancen auf die Trophäe wie Kollegen, die man in weniger ernsthaften Werken gesehen hatte.

"In der Unterhaltungsindustrie gibt es schon lange das Gefühl, dass Dramen bei der Nominierung bevorzugt werden", sagt Rossman. "Aber ich glaube nicht, das jemand sich bewusst war, in welchem Ausmaß."

Der "Robert-Forster-Effekt"

Dass Frauen sich größere Hoffnungen auf einen Oscar machen können als Männer, hängt schlicht damit zusammen, dass es weniger Schauspielerinnen gibt als Schauspieler, die jeweils um eine der Auszeichnungen konkurrieren.

Wichtig ist offenbar auch, an welcher Stelle man in der Vergangenheit im Vorspann aufgetaucht war. Um eine der goldenen Statuen zu ergattern, sollte man demnach möglichst bereits ein Star ein.

Und da gibt es noch das von den Wissenschaftlern als "Robert-Forster-Effekt" bezeichnete Phänomen. Bei Robert Forster handelt es sich um einen Schauspieler, der zwar häufig zu sehen, aber nie aufgefallen und schon gar nicht nominiert worden war. Ein klassischer Nebendarsteller. Und als solcher erhielt er für seine Rolle in "Jackie Brown" den Oscar - einem Film des Regisseurs Quentin Tarantino, der auch das Drehbuch geschrieben hatte. Und als Drehbuchschreiber hatte Tarantino bereits selbst einen Oscar gewonnen.

Der Ruhm früherer Gewinner färbt nach Einschätzung der Wissenschaftler auf eher unbedeutende Akteure ab. Von Vorteil für Forster war darüber hinaus vermutlich, dass er in diesem Film zusammen mit gleich zwei Stars zu sehen gewesen war: Robert De Niro und Samuel L. Jackson.

Während die Zusammenarbeit mit Stars und Oscargewinnern einem Nebendarsteller also einen Vorteil verschafft, sollten Hauptdarsteller dagegen möglichst nicht gemeinsam mit zuvor bereits nominierten Kollegen auf der Leinwand auftauchen. Das verringert ihre eigenen Chancen.

Wenig Bedeutung haben dagegen Beziehungen der Schauspieler zur Filmindustrie. "Es ist gängige Meinung, dass es in allen möglichen Lebensbereichen eher darauf ankommt, wen man kennt, als wer man ist", so Esparza. "Hollywood ist da vermutlich nicht anders - außer es geht um die Oscar-Nominierungen."

Wer also nach der höchsten Auszeichnung strebt, die ein Schauspieler erringen kann, sollte als Frau versuchen, in einem Jahr mit wenigen Filmen eine Rolle in einem Drama zu übernehmen, und zwar möglichst als einziger Star, der bereits zuvor nominiert wurde und im Vorspann ganz vorn auftaucht.

Und vielleicht sollte man auch ein bisschen Schauspielen können. Wenigstens dem Zuschauer zuliebe.

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