Unter den Trümmern der Reaktoren in Fukushima liegen Becken, die einst ein schönes Fotomotiv abgaben. Blau strahlte das Wasser, unter der ebenen Oberfläche lagen - leicht verschwommen zu sehen - Metallregale mit ordentlich aufgereihten Brennelementen. Beugte sich einer im gelben Overall über das Wasser, freuten sich die Fotografen. Auch wenn deutsche Kernkraftwerke gezeigt wurden, war dieses Motiv beliebt.
In Japan sind die Pools zur großen Gefahr geworden. In den Reaktoren des Typs General Electric Mark 1 lagen die Becken, in denen die Nachwärme und Radioaktivität verbrauchter Brennelemente abklingen soll, weit oben im Gebäude, geschützt nur vom Dach. In drei Blöcken wurden die Dächer inzwischen von Wasserstoffexplosionen weggefegt. Nun liegen die Becken, teilweise von Trümmern bedeckt, unter offenem Himmel. Techniker und Soldaten bemühen sich hektisch, Kühlwasser nachzufüllen.
In sechs deutschen Atommeilern sind die Pools genau an der gleichen Stelle angeordnet. "Alle Siedewasserreaktoren haben das Abklingbecken oben außerhalb des Containments", sagt Sven Dokter von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS). Nur bei den elf Druckwasserreaktoren werden alte Brennelemente innerhalb dieses Sicherheitsbehälters verwahrt. Er ist die äußere der beiden wichtigen Barrieren, die das nukleare Inventar von der Umwelt trennen. Über den Abklingbecken dieser sechs Reaktoren befindet sich auch in Deutschland nur noch die Gebäudehülle. Es handelt sich um die vier jetzt abgeschalteten Meiler der sogenannten Baulinie 69 - Isar 1, Philippsburg 1, Brunsbüttel und Krümmel - sowie um die noch laufenden Reaktoren Gundremmingen B und C.
"Die Gefahr, die von den Abklingbecken ausgeht, ist in Deutschland dem Fall in Japan vergleichbar", sagt Karsten Smid von Greenpeace. "Wenn die Techniker einen Kühlmittelverlust nicht ausgleichen können und die Brennelemente beschädigt werden, steht zwischen ihnen und der Umwelt nur noch das Dach." Sein Kollege Gerd Rosenkranz von der Organisation Deutsche Umwelthilfe ergänzt: "Darüber hat sich hier noch kaum jemand schwerwiegende Gedanken gemacht. Dabei ist in den Lagern unter Umständen mehr Radioaktivität drin als im Reaktorkern."
Zeichnungen der deutschen Atommeiler zeigen eine andere Konstruktion als bei den Blöcken in Fukushima. Dort kann man auf den Bildern eine Fachwerkkonstruktion aus Stahlträgern und Fassadenplatten erkennen, die von Wasserstoffexplosionen nach außen weggesprengt wurden. Risszeichnungen aus Deutschland zeigen zum Beispiel auch bei den Reaktoren Isar 1 und Brunsbüttel, wie sich die Mauern oben verjüngen, während sie in Gundremmingen und Krümmel die gleiche Dicke bis zum Dach behalten. Keiner der Siedewasserreaktoren ist jedoch vor dem Absturz einer Verkehrsmaschine geschützt. Als Erstes könnte nach einem Einschlag das Abklingbecken Radioaktivität freisetzen.
Beim Bau der Reaktoren gab es Gründe, die Abklingbecken weit oben zu planen, sagt Christoph Pistner vom Ökoinstitut in Darmstadt. Bei der Wartung müssen Brennelemente aus dem Druckbehälter herausgezogen und im Wasser ins Abklingbecken umgeladen werden. "Das ist so, als würden Sie etwas von der Badewanne ins Waschbecken heben, das keine Sekunde an die Luft darf." Die Techniker im Kraftwerk fluten dafür vorgesehene Kanäle bis zum Pegel des Abklingbeckens. Bei den eng gebauten Siedewasserreaktoren kommt darum nur der Platz unter dem Dach in Frage.
Die Sicherheit hat deutsche Reaktorexperten schon einmal beschäftigt. Die Lagerbecken spielten in der Diskussion um den Schutz vor Terrorangriffen im Jahr 2001 kurz eine Rolle, erinnert sich Gerd Rosenkranz.
Es braucht aber nicht einmal abstürzende Flugzeuge, damit die Brennelemente in den Pools gefährlich werden, wie ein Vorfall im April 2003 in Ungarn zeigt. Damals erhitzte sich im Kernkraftwerk Paks das Wasser in dem Becken bei Reinigungsarbeiten an Brennelementen. Das Personal musste vor der plötzlich zunehmenden Strahlung fliehen; tagelang wurde radioaktiver Dampf abgelassen; 30 Brennelemente wurden durch die Hitze zerstört. Das Dach hat, anders als im Block 4 in Fukushima, gehalten.