Es ist ein schöner, wenn auch ein kalter Tag. Vor allem aber ist es der Tag, an dem die Challenger endlich abheben soll. Bereits fünfmal musste der Start des amerikanischen Spaceshuttle verschoben werden, mal spielte das Wetter nicht mit, mal die Technik.
Jetzt, am 28. Januar 1986, soll es unbedingt losgehen - trotz einer vereisten Startrampe. Der Zeitplan drängt, schließlich sitzen Schüler im ganzen Land vor dem Fernseher und warten darauf, dass mit Christa McAuliffe erstmals eine Lehrerin ins All fliegt. In Cape Canaveral ist es genau 11 Uhr 38, als die Triebwerke der Challenger endlich zünden.
Wenige Minuten später ist Christa McAuliffe tot, und mit ihr die anderen sechs Astronauten an Bord des Shuttles. Ein spröde gewordener Dichtungsring an einer der beiden Feststoffraketen hat dem Höllenfeuer des Starts nicht standgehalten und die Raumfähre ins Verderben gerissen.
Das winzige Bauteil hat jene Kritiker bestätigt, die in dem Spaceshuttle-Konzept ein einziges großes Sicherheitsrisiko, eine Himmelfahrtstechnologie, eine gewaltige Fehlkonstruktion sahen. Eine Einschätzung, für die es - trotz aller Verbesserungen - auch 25 Jahre nach der Tragödie gute Gründe gibt.
Die grundlegenden Fehler wurden bereits lange vor jenem kalten, verhängnisvollen Tag in Florida gemacht: Neil Armstrong war kaum vom Mond zurückgekommen, da überlegten die Amerikaner bereits, wie sie den Rest des Weltalls erschließen könnten. Sie träumten von einem bemannten Flug zum Mars, von einer ständig bewohnten Mondbasis, von einer Raumstation, die erstmals mit einem wiederverwendbaren Raumschiff angesteuert werden sollte - einer Art Pendelflugzeug für den Orbit.
Richard Nixon, 1969 bis 1974 Präsident der USA, war jedoch kein großer Freund der Raumfahrt. Er dachte an seine Wiederwahl, für die er Arbeitsplätze in den bevölkerungsreichen Staaten Texas und Kalifornien schaffen musste - traditionell wichtige Zentren der Raumfahrt. Nixon entschied sich daher für das Naheliegende: Der Spaceshuttle sollte gebaut werden. Und nur der Spaceshuttle.
Ohne eine Raumstation, also ein Ziel, das es anzusteuern galt, war dieses Fluggerät allerdings nutzlos. 50 Shuttle-Missionen pro Jahr hatte die Nasa dem Kongress versprochen. Nur so war es möglich, die prognostizierten Kosten pro Flug auf unglaublich günstige 10,5 Millionen Dollar zu drücken und das Programm genehmigt zu bekommen. Was jedoch sollte auf all diesen Flügen transportiert werden? Und wohin?
Transporter für riesige Satelliten
Auf der Suche nach Aufträgen verbündeten sich die Raumfahrer schließlich mit dem Militär, das versprach, die eigenen Trägerraketen einzumotten und fortan alle Spionagesatelliten mit Shuttles ins All zu bringen. Im Gegenzug stellte das Pentagon Forderungen. Die Raumfähren sollten in der Lage sein, riesige Satelliten in eine unter Spionen besonders beliebte polare Umlaufbahn zu bringen.
Das erhöhte die Anforderungen enorm, die Nasa war plötzlich in der Klemme. Auf der einen Seite stand das enge Entwicklungsbudget von 5,5 Milliarden Dollar, auf der anderen Seite gab es militärische Vorgaben, die eine erhöhte Leistung beim Start und einen stärkeren Hitzeschutz beim Wiedereintritt erforderten.
Ein Kompromiss musste her. Nach langem Überlegen entschied sich die Raumfahrtbehörde für einen neuartigen Schutzschild aus 35.000 fragilen Hitzekacheln auf der Unterseite des Shuttles und einen Antrieb mit kräftigen Feststoffraketen. Nie zuvor war diese Antriebstechnik, die wie eine Feuerwerksrakete nach dem Zünden nicht gestoppt werden kann, bei bemannten Raumfahrzeugen eingesetzt worden. Wernher von Braun, Vater der Mondrakete, kanzelte sie umgehend als "viel zu unsicher" ab.
Doch die Nasa hatte keine Wahl. Es kam zur Billiglösung. Am 5. Januar 1972 gab Nixon den Spaceshuttle offiziell in Auftrag. Er versprach ein preisgünstiges Raumschiff, das den "Flug in den Weltraum revolutionieren wird, indem es ihn zur Routine macht". Der Shuttle sollte alles können, es jedem Recht machen und gleichzeitig möglichst wenig kosten. Das war der Geburtsfehler der Shuttle-Ära, und er sollte sich am 28. Januar 1986, weniger als fünf Jahre nach dem Erstflug eines Shuttles, bitter rächen.
Bereits beim Zünden der Triebwerke bläst die rechte Feststoffrakete der Challenger eine dunkle Rauchwolke aus. Im Startjubel achtet jedoch niemand darauf. 68 Sekunden später, das Feuer hat sich längst durch den gefrorenen Dichtungsring gefressen, erhält Kommandant Dick Scobee die Erlaubnis, maximalen Schub zu geben. "Volle Kraft", erwidert Scobee. Es ist die letzte Botschaft von Bord der Challenger. 73 Sekunden nach dem Start bricht die Raumfähre auseinander. Ein Ball aus Feuer, Rauch und Dampf, von Fernsehkameras im Detail festgehalten, brennt sich ins Gedächtnis einer ganzen Generation.
Die spätere Untersuchung sollte zeigen, dass der Dichtungsring nicht zum ersten Mal Probleme bereitete. Bereits bei früheren Missionen war er teilweise abgebrannt. Die Nasa-Manager sahen das jedoch positiv, immerhin hatte er ja gehalten. Das Motto "Es wird schon gut gehen, schließlich ist es bislang auch immer gut gegangen", wurde zur Routine der Raumfahrtagentur. Als der Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman, Mitglied der Challenger-Untersuchungskommission, das hörte, reagierte er fassungslos: "Wenn beim Russischen Roulette das erste Abdrücken folgenlos bleibt, schützt das doch nicht vor dem zweiten Schuss."
Auch viele Ingenieure sahen diese Praxis kritisch; sie trauten sich aber nicht aufzubegehren. Und wenn sie, wie im Fall der spröden Dichtungsringe, doch einmal warnten, wurden ihre Bedenken mit Verweis auf den strengen Zeitplan und das knappe Budget verworfen.