Walfang:Nicht Fisch, nicht Fleisch

Walfang ist zu einer Frage der nationalen Souveränität und der Emotionen geworden. Das Moratorium könnte so aufgeweicht werden.

Gunnar Herrmann und Christoph Neidhart

Walfleisch hat in Japan wenige Anhänger. In Tokio gibt es ein einziges Restaurant, das auf das dunkle Fleisch spezialisiert ist. Andere Lokale servieren Wal gelegentlich als Leckerbissen. Wenn im Supermarkt mal Walfleisch auftaucht, bleibt es lange liegen. Die Erträge aus dem angeblich wissenschaftlichen Fang im Südpazifik, bei dem jährlich etwa tausend Tiere, größtenteils Minkewale, erlegt werden, übersteigen den Bedarf. Traditionell wurde nur in einigen Küstenregionen Japans Wal gegessen.

Walfang: Mal geht es um Traditionen, mal um Prestige, meist um das Geschäft. Walfang - wie hier durch Japaner in antarktischen Gewässern - steht oft in der Kritik.

Mal geht es um Traditionen, mal um Prestige, meist um das Geschäft. Walfang - wie hier durch Japaner in antarktischen Gewässern - steht oft in der Kritik.

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Das überschüssige Walfleisch soll in den letzten Jahren illegal unter den Crew-Mitgliedern verteilt worden sein, wie Greenpeace behauptet. Vor einem Jahr fingen zwei japanische Mitarbeiter der Umwelt-Organisation, Junichi Sato und Toru Suzuki, eine angeblich unterschlagene Kiste mit Walfleisch ab und übergaben sie der Polizei. Anstelle der Crew-Mitglieder stehen nun freilich die beiden Umwelt-Aktivisten im nordjapanischen Aomori vor Gericht. Die Anklage: Sie hätten die Kiste mit dem Walfleisch gestohlen.

Wenn Tokio sich trotz geringer Nachfrage gleichwohl gegen das seit 1986 geltende Walfang-Moratorium verwendet, dann nicht aus Tradition, wie es heißt, sondern vor allem, weil Japan sich vom Westen nicht vorschreiben lassen will, was es darf und was nicht.

Walfang ist zu einer Frage der nationalen Souveränität geworden; selbst Japaner, die nie Wal essen, halten es für richtig, dass Japan dem internationalen Druck nicht nachgibt. Erst recht, weil es die US-Besatzer waren, die Japan nach Kriegsende drängten, zur Deckung des chronischen Proteinmangels seiner hungernden Bevölkerung Walfang zu betreiben. Einige westliche Walfangnationen haben damals alte Fangschiffe nach Japan verramscht. Allerdings hat die ständige negative Berichterstattung in internationalen Medien nun offenbar den Willen von Japans Regierung untergraben, am Walfang im Südpazifik festzuhalten.

Lenkt Japan ein?

Japan hat sich jüngst zu einem Kompromiss bereit gezeigt. Demnach würde das Land den Fern-Walfang in antarktischen Gewässern und im Nordpazifik aufgeben, dafür billigt die Internationale Walfangkommission IWC Japan Küstenwalfang im beschränktem Umfang zu. Obwohl Japan und Australien diesen Handel zunächst öffentlich abgelehnt haben, schien es bis vor kurzem so, als könnten sich die 85 Mitgliedsstaaten bei der Jahreskonferenz der IWC auf Madeira diese Woche darauf festlegen.

Im Nordatlantik jedenfalls ist es für Wale auch nicht sicherer als im Pazifik - Isländer und Norweger schätzen das Fleisch. Beide Länder schicken seit Jahren internationalen Protesten zum Trotz Walfänger über den Atlantik. Anders als die Japaner behaupten sie erst gar nicht, die Tiere zu "wissenschaftlichen Zwecken" zu töten. Sie meinen, die Angst vor einem Aussterben der Wale sei unbegründet.

Folklore und Geschäft

Denn seit den 80er Jahren hätten sich die Bestände erholt. Deshalb könne man nun wieder guten Gewissens Wale abschießen, so wie man das mit anderen Tieren, etwa Wildschweinen oder Elchen macht. Würde sich diese Sichtweise durchsetzen, dann würde das IWC-Moratorium wohl aufgehoben werden. Statt auf ein Verbot müssten sich die Staaten dann auf gemeinsame Abschussquoten einigen.

Besonders die Isländer haben dieses Ansinnen in den vergangenen Jahren aggressiv verfolgt. Der Inselstaat hatte 2006 den kommerziellen Walfang nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Rücksicht auf das Internationale Moratorium wieder gestattet, Zwergwale und einige Finnwale wurden zum Abschuss freigegeben. Der Finnwal ist das zweitgrößte Säugetier der Erde und steht auf der Roten Liste bedrohter Tierarten. Als der erste riesige Walkadaver unter dem Jubel fahnenschwenkender Zuschauer am Kai in Reykjavik zerlegt wurde, gingen die blutigen Bilder um die ganze Welt.

Die Regierung kümmerte das nicht. Stattdessen brachen die Isländer gleich noch ein weiteres Tabu und verkauften Teile der Meeressäuger an die Japaner, weil sie selber das viele Fleisch gar nicht essen konnten. Ein weltweiter Handel mit Walprodukten ist für Artenschützer der schlimmste Albtraum. Sie fürchten, dass die Tiere kaum noch eine Überlebenschance haben, wenn die Konsumenten in den reichen Industriestaaten erst einmal Appetit auf die Meeressäuger bekommen und sich mit dem Fleisch viel Geld verdienen lässt.

Darum wollen Umweltverbände Walprodukte grundsätzlich ächten. Einzige Ausnahme sind einige Urvölker, etwa die Inuit in Grönland und Kanada. Dass die Inuit gelegentlich Wale töten, um traditionelle Speisen herzustellen und bei der Jagd ihr Brauchtum zu pflegen, wird selbst von den meisten Umweltschützern toleriert. Denn die Ureinwohner, so die Argumentation, jagen ja nur für den Eigenbedarf und darum in sehr begrenztem Umfang.

Allerdings ist die Grenze zwischen Folklore und Geschäft nicht immer klar zu erkennen. Die Walfänger aus Norwegen und Island behaupten auch, sie würden nur Traditionen weiterführen, die es immer schon gegeben hat. Trotzdem verkaufen sie ihren Fang in modernen Supermärkten. Und das Fleisch landet auch in Restaurants, wo es Touristen serviert wird. Und was wäre, wenn die auf den Geschmack kommen? Möglicherweise wird das Schicksal der Wale am Ende in der Küche entschieden.

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