Umweltgipfel Rio+20:Damit grünes Wachstum möglich wird

Der Umweltgipfel Rio+ 20 ist für die Welt eine Gelegenheit zu begreifen, dass eine grüne Wirtschaft der einzige Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung ist. Nicht nur Politiker, sondern gerade Unternehmer sollten das berücksichtigen - schließlich können sie dadurch sogar ihre Gewinne erhöhen.

Yvo de Boer

Der Klimaexperte Ivo de Boer, 55, leitete bis 2010 das UN-Klimasekretariat. Dann wechselte der Niederländer zur Unternehmensberatung KPMG.

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Klimawandel, Bevölkerungswachstum, Ressourcenknappheit, Artensterben - schon jetzt wirken sich viele Probleme auf den Menschen und den gesamten Planeten aus. Wir brauchen dringend eine nachhaltige - grüne - Wirtschaft, fordert deshalb Yvo de Boer, der frühere Leiter des UN-Klimasekretariats.

(Foto: AFP)

Wenn man sieht, wie sehr sich die Welt derzeit mit wirtschaftlichen Problemen beschäftigt, könnte man meinen, dass es gerade keine gute Zeit ist für einen Gipfel zum Thema Nachhaltigkeit. Dabei kann gerade wirtschaftliches Handeln innerhalb einer berechenbaren politischen Strategie Anreize schaffen für mutiges Handeln, damit grünes Wachstum möglich wird.

In den Vereinigten Staaten, in Mexiko, Russland, China, Frankreich und anderen Staaten haben Wahlen und Wechsel in den Regierungen die Aufmerksamkeit auf innenpolitische Themen gelenkt. Zwar wird dort auf lokaler Ebene gehandelt, dies führt aber auch zu Kurzsichtigkeit und schließlich nur zu kurzfristigen Erfolgen.

Daher bleiben die Vorbereitungen für den Rio+20-Gipfel der Vereinten Nationen hinter den Erwartungen zurück. Sie wirken blass im Vergleich zu den Ansätzen des ersten Rio Earth Summit im Jahr 1992, als gleich drei internationale Verträge unterschrieben wurden. Die Welt hat sich in 20 Jahren stark verändert, aber es ist unwahrscheinlich, dass es auf dem Gipfel im Juni Verträge zu unterzeichnen geben wird.

Kurzfristiges Denken birgt große Risiken. Weltweite Probleme wie Bevölkerungswachstum, Ressourcenknappheit, das Artensterben und der Klimawandel beeinflussen schon jetzt - und in Zukunft immer mehr - unseren Planeten, unsere Wirtschaft und uns selbst. Es ist jetzt von allerhöchster Wichtigkeit, dass wir uns nicht zu sehr mit den derzeitigen Problemen befassen. Wir müssen die Möglichkeiten nutzen, die sich mit den weltweiten Problemen auftun. Rio bietet die Möglichkeit, Schwung zu holen für eine zukünftige nachhaltige Wirtschaft.

Die Wirtschaft spielt eine wichtige Rolle, soll langfristiges Wachstum gewährleistet werden. Es gibt verschiede Möglichkeiten der Wirtschaftsführung und des Engagements für eine nachhaltigere Wirtschaft, innerhalb und außerhalb des Rio-Prozesses. Zum Beispiel können Unternehmen ihre Kosten senken und dadurch ihren Gewinn erhöhen, indem sie auf Energieeffizienz, Wasserverbrauch, Müllreduzierung achten. Mit neuen, grünen Waren und Dienstleistungen kann dem immer größeren Wunsch nach nachhaltigen Produkten nachgekommen werden.

Unilever hat zum Beispiel ein Waschpulver entwickelt, das statt drei Spülgängen nur noch einen benötigt. Das ist gut für die Kunden, es ist gut für den Wasservorrat und wertet die Marke Unilever auf.

Zweitens gibt es Möglichkeiten für die Wirtschaft, bei den Ressourcen zusammenzuarbeiten. Die Mitglieder des "Runden Tisches zum nachhaltigen Palmöl" haben sich zum Beispiel dazu entschlossen, bis 2015 nur noch nachhaltige Ressourcen für ihr Palmöl zu verwenden. Dieses Ziel können sie gemeinsam erreichen. Allerdings braucht es dazu auch verlässliche politische Rahmenbedingungen in Fragen der Energie und des Klimawandel. Es ist für die Wirtschaft sehr schwierig, langfristig zu investieren, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ständig ändern.

Also sind drittens - und das ist vielleicht der wichtigste Punkt - verlässliche Rahmenbedingungen, politische Stabilität und Vorhersehbarkeit wichtige Elemente, um eine grüne Wirtschaft zu schaffen, in der Regierungen, die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft handlungsfähig sind. Eine stabile Politik ist also ein zentraler Aspekt für den weiteren Wandel hin zur grünen Wirtschaft.

Schlechte Aussichten, aber ein gutes Gefühl

Wie auch bei der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen, sind die Aussichten auf ein stabiles, zwischenstaatliches Rahmenwerk auch nach Rio nicht sehr groß. Manche sehen hier schon Parallelen. Aber jeder Prozess, der sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt, ist schwierig und langwierig. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die politischen Führer hinter einem gemeinsamen Ziel zu versammlen, vor allem in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation.

Das liegt nicht daran, dass man nicht sehen würde, dass eine grüne Wirtschaft der einzige Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung ist, oder dass es keine passenden Lösungen für eine solche zukünftige Wirtschaft gibt. Das Problem liegt darin, dass es kein politisches Ziel gibt, zu dem die Verhandlungen führen könnten. Das macht es für die führenden Politiker uninteressant, sich an dem Prozess zu beteiligen. Daher verlaufen die Verhandlungen sehr zäh, und daher sinken auch die Chancen für starke Erfolge in der Nachhaltigkeit.

Aber das soll keinesfalls bedeuten, dass die Wirtschaft in Sachen Nachhaltigkeit in den Leerlauf schalten und den Gipfel in Rio ignorieren kann. Es wird ja durchaus Ergebnisse geben, zum Beispiel nachhaltige Entwicklungsziele, Mindestanforderungen für Unternehmen und stufenweiser Rückzug von Fördermitteln für umweltschädliche Wirtschaftsprozesse.

Dies könnte weitreichende Auswirkungen auf viele Teile der Wirtschaft haben. Daher ist es für sie zwingend erforderlich, sich am Prozess zu beteiligen. Für die Wirtschaft wäre der Rio+20-Gipfel ein Erfolg, wenn es einer wirkungsmächtigen Politik gelänge, den weltweiten Cashflow für die grüne Wirtschaft zu öffnen. Dies hängt davon ab, ob sich die Regierungen an die Abmachungen halten, die in Rio getroffen werden - und ob die Investoren darauf vertrauen.

Die Unternehmen sollten den Rio+20-Gipfel ernst nehmen; sie sollten Verantwortung für ihre eigenen Geschäfte übernehmen und für nachhaltige Ziele zusammenarbeiten. Die Räder des Wandels mögen sich langsam drehen, aber sie drehen sich stetig. Auch wenn keine großen weltweiten Abkommen getroffen werden, wie es beim Kyoto-Protokoll der Fall war: Der Gipfel wird eine Wegmarke sein und sicherstellen, dass diese Themen nicht von der weltweiten Agenda verschwinden.

Mein Gefühl sagt mir, dass Rio+20 ein Startschuss für eine neue, globale Sicht auf Nachhaltigkeit sein wird. Die Wirtschaftsführer sollten klären, wie ihre Unternehmen zur Nachhaltigkeit stehen, um herauszufinden, wo sie handeln müssen, um ihre Risiken zu minimieren und ihre Möglichkeiten zu maximieren.

Aber Erfolg wird nur dann möglich sein, wenn man zusammenarbeitet. Wir brauchen jetzt, mehr denn je, eine starke Führung aus Politik und Wirtschaft. Eine Führung, um unsere globale Wirtschaft auf die Zukunft vorzubereiten: auf die Zukunft, die wir wollen.

Übersetzung: Mathias Weber

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