Therapie gegen Angst:Gib Panik keine Chance

Ein neues Verfahren soll es Patienten ermöglichen, besser mit negativen Gefühlen umzugehen. Sie könnten lernen, ihr Gehirn selbst zu beeinflussen.

Christine Amrhein

Petra S. hat Flugangst. Wenn sie nur daran denkt, in ein Flugzeug zu steigen, zittern ihr die Knie und ihr Herz beginnt zu rasen. Angstpatienten wie sie könnten in Zukunft von einer neuen Methode profitieren, mit der sich nahezu live beobachten lässt, was in einer solchen Situation im Gehirn passiert.

Therapie gegen Angst: Ein neues Verfahren soll es Patienten ermöglichen, besser mit negativen Gefühlen umzugehen. Sie könnten lernen, ihr Gehirn selbst zu beeinflussen.
(Foto: Foto: iStockphoto)

Wissenschaftler des Tübinger Instituts für medizinische Psychologie, die das Verfahren entwickelt haben, konnten nämlich zeigen, dass Probanden ihre eigene Hirnaktivität beeinflussen können, wenn sie mit Hilfe der so genannten Echtzeit-MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie) gezeigt bekommen, was gerade in ihrem Gehirn passiert. Angstpatienten etwa könnten ihre Panik so möglicherweise selbst in den Griff bekommen.

Dass es prinzipiell möglich ist, das eigene Gehirn zu beeinflussen, haben Wissenschaftlern der amerikanischen Stanford University gezeigt. In ihrer Untersuchung lernten Probanden, eine Hirnregion zu steuern, die mit Schmerz zusammenhängt - was dazu führte, dass sie Schmerz weniger stark wahrnahmen.

Die Tübinger Wissenschaftler um Niels Birbaumer beschäftigen sich dagegen mit der Frage, inwieweit sich Gehirnareale steuern lassen, die mit Gefühlen zu tun haben: zum Beispiel die Amygdala, die bei Angstreaktionen eine Rolle spielt, oder die Vordere Insula, die an der Gefühlswahrnehmung beteiligt ist.

Training mit Thermometer

Zunächst untersuchten die Forscher gesunde Menschen. Als erstes absolvierten die Probanden eine Art Training. Während sie in der Röhre des Tomographen lagen, sahen sie auf einem Bildschirm ein Thermometer, das die Aktivität der Insula in ihrem Gehirn veranschaulichte. Durch Gedanken an negative Ereignisse in ihrem Leben sollten sie versuchen, das Thermometer nach oben zu regulieren. Anschließend sollten sie es wieder nach unten bringen, indem sie sich ablenkten und zum Beispiel von hundert rückwärts zählten.

Nach zwei bis drei Tagen, an denen sie jeweils dreißig Minuten lang geübt hatten, waren die meisten in der Lage, das Thermometer gezielt in eine Richtung zu bewegen. Nach diesem Training konnten die Versuchsteilnehmer im Tomographen die Insula auch dann erfolgreich regulieren, wenn sie kein Feedback mehr erhielten, das Thermometer also unbeweglich blieb.

Gib Panik keine Chance

Das Experiment veränderte offenbar den emotionalen Zustand der Versuchsteilnehmer. "Wenn wir den Probanden nach einem Trainingsblock, in dem sie das Thermometer nach oben bringen sollten, verschiedene Bilder zeigen, beurteilen sie sowohl abschreckende als auch neutrale Bilder negativer, als wenn sie zuvor das Thermometer nach unten gedrückt haben", sagt Ralf Veit, der an den Studien mitgearbeitet hat.

Schon vor Jahren hatten die Tübinger Wissenschaftler Patienten beigebracht, ihre eigenen Hirnströme zu beeinflussen, die mit Elektroden von der Kopfhaut abgeleitet wurden. Dieses Verfahren erlaubte jedoch keine Aussage über spezifische Hirnregionen. "Mit der Magnet-Resonanz-Tomographie in Echtzeit ist dies möglich", erläutert Sitaram Ranganatha aus der Forschungsgruppe. "Das System ist jetzt so weit entwickelt, dass wir es für Routinemessungen einsetzen können. Es meldet innerhalb von 1,5 Sekunden zurück, was in einer Hirnregion passiert."

Mit der Methode haben die Forscher kürzlich auch psychisch Kranke untersucht. Eine Frage, die sie besonders interessiert, betrifft die emotionale Regulation bei Psychopathen. Diese empfinden weniger Angst oder Mitleid als andere Menschen und reagieren weniger stark auf die Androhung von Strafe. "Wenn solche Patienten lernen könnten, ihr Furchtsystem zu aktivieren, bekämen sie mehr Kontrolle über ihre Gewaltbereitschaft", sagt Birbaumer.

Er und seine Mitarbeiter haben gerade vier Straftäter untersucht, die an einer Bewährungsmaßnahme teilnahmen. Zwei von ihnen konnten lernen, die Aktivität der Insula zu erhöhen, indem sie an negative Erlebnisse in ihrem Leben dachten. Einer empfand anschließend gezeigte Bilder auch als negativer.

Das Neurofeedback könnte in Zukunft möglicherweise die Therapie von Patienten mit Angst oder Depressionen unterstützen. "Angstpatienten etwa könnten lernen, die Furchtregionen des Gehirns zu hemmen", sagt Veit.

Ähnliche Chancen sieht auch Frank Schneider, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Aachen. "Ich halte es für therapeutisch vielversprechend, verschiedene Patientengruppen mit Echtzeit-MRT zu trainieren, zum Beispiel Depressive oder Schizophrene", sagt er. "Dabei würde man sich auf diejenigen Gehirnregionen konzentrieren, von denen man aus Studien weiß, dass sie bei der jeweiligen Erkrankung beeinträchtigt sind." Schneider plant, das Verfahren in Zukunft selbst mit Patienten zu erproben.

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