Sprachforschung:Plappern in dünner Luft

In Höhenlagen wird grundsätzlich anders gesprochen als nahe des Meeresspiegels. So kommen bestimmte Sprachlaute fast nur in Gebieten über 1500 Metern vor.

Von Katrin Blawat

Bergvölker sprechen bizarr und unverständlich, sodass man sie mitunter kaum verstehen kann - so empfinden es viele Besucher aus dem Flachland. Anhand der Laute, die Bewohnern Tirols oder des Engadins aus dem Mund purzeln, kann der Tourist aus Hamburg oder vom Niederrhein mitunter nur die Sprache identifizieren, kaum aber einen ganzen Satz verstehen.

Ein Klischee, das weder dem Niederrheiner noch dem Tiroler gerecht wird? Mag sein. Doch für die Vermutung, wonach in Höhenlagen grundsätzlich anders gesprochen wird als nahe des Meeresspiegels, gibt es nun wissenschaftliche Daten.

Erhoben hat sie der Anthropologe Caleb Everett von der University of Miami in Coral Gables, gerade mal 13 Meter über Normalnull. Everett zufolge sind in Höhenlagen Sprachen mit sogenannten ejektiven Konsonanten besonders verbreitet (Plos One, Bd. 8, S. e65275, 2013). Ejektiv ist ein Konsonant, wenn man weder aus- noch einatmet, um ihn auszusprechen, und die Stimmritze geschlossen bleibt. Im Deutschen gibt es solche Konsonanten nicht.

Sie kommen vor allem in Sprachen vor, die in mindestens 1500 Meter hoch gelegenen Regionen und deren Umkreis gebräuchlich sind. Der Forscher untersuchte die geografische Verbreitung von knapp 570 Sprachen, von denen 92 Ejektive enthalten. Von diesen Sprachen wiederum lassen sich immerhin 80 - das entspricht 87 Prozent - im Umkreis einer Höhenlage von mindestens 1500 Meter über dem Meeresspiegel verorten.

Hoch gelegene Gebiete, in denen sich Sprachen mit ejektiven Konsonanten auffallend häufen, sind Everett zufolge die Amerikanischen Kordilleren im Westen der USA, das benachbarte Colorado-Plateau, Hochebenen im Südosten Mexikos und in Südafrika sowie Regionen entlang des Ostafrikanischen Grabens und in den kaukasischen Bergen. Nur im Hochland von Tibet konnte der Forscher keine Sprache mit Ejektiven finden. Doch sei es nicht überraschend, sagt Everett, wenn eine Region die Ausnahme von der Regel bilde.

Gemeinsam ist all diesen Hochlagen jedoch, dass sie nur vergleichsweise wenigen Menschen eine Heimat bieten. Nur ein Zehntel der Weltbevölkerung lebt mehr als 1500 Meter hoch über dem Meeresspiegel - ein Drittel der Menschheit hingegen in tief liegenden Regionen von maximal 100 Metern Höhe.

Auch zwei Hypothesen, was hinter dem Zusammenhang von Höhenlage und Phonologie stecken könnte, präsentiert Everett. "Ejektive Konsonanten werden erzeugt, indem in der Rachenhöhle eine Lufttasche gebildet und die Luft komprimiert wird", sagt der Anthropologe. In großer Höhe ließen sich solche Laute wegen des niedrigeren Luftdrucks besser bilden, da dünne Luft leichter zu komprimieren sei. Außerdem reduzierten ejektive Konsonanten vermutlich den Feuchtigkeitsverlust beim Sprechen - was in großer Höhe ebenfalls sinnvoll sein könne.

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