Placebo-Effekt:Therapeutische Bonbons

Mehr als ein Trostpflaster braucht es zur Behandlung kleiner Kinder oft gar nicht. Die leichte Beinflussbarkeit der jungen Patienten hat aber auch eine Kehrseite.

Christina Berndt

Warme Luft ist bei Kindern oft genauso wirksam wie eine Schmerztablette. Auch wenn die Wunde noch so brennt: Sobald die Eltern pusten, ist der Schmerz meist schon wieder vergessen. Der Lufthauch ist eines der besten Placebos der Welt - ein Medikament ohne chemischen Wirkstoff also.

Placebo-Effekt: Bunte Bonbons wirken besonders gut.

Bunte Bonbons wirken besonders gut.

(Foto: Foto: AP)

Wie stark gerade Kinder auf solche Scheinmedikamente reagieren, haben französische Wissenschaftler nun erneut gezeigt. In der Fachzeitschrift Public Library of Science Medicine berichten sie, dass der Placeboeffekt bei Kindern mit Epilepsie doppelt so groß ist wie bei Erwachsenen (Bd.5, S.e166, 2008).

Die Forscher haben alle verfügbaren Studien neu ausgewertet, die an Kindern und Erwachsenen vorgenommen wurden, welche an einer Epilepsie litten, der mit Medikamenten eigentlich nicht beizukommen war. Nur zehn Prozent der Erwachsenen, aber 20 Prozent der Kinder ging es besser, wenn sie ein Scheinmedikament bekamen.

Die leichtere Beeinflussbarkeit der Kinder hat Vor- und Nachteile. Zwar wirken bunte Pflaster, Lollis oder Zuckerkügelchen (von Homöopathen auch Globuli genannt) bei Kindern besonders gut; und die damit verbundene elterliche Zuwendung tut ihr Übriges. Doch die Arzneimittelzulassung wird komplizierter.

"Weil der Placebo-Effekt bei Kindern so ausgeprägt ist, hat es manches echte Medikament schwer, für Kinder zugelassen zu werden", sagt die Hamburger Schmerzforscherin Ulrike Bingel, die derzeit an der Universität Oxford arbeitet. Schließlich müssten neue Arzneien vor der Zulassung beweisen, dass sie besser wirken als Placebos. "Manche Mittel gegen Migräne, für die dieser Nachweis bei Erwachsenen erbracht ist, sind für Kinder bis heute aber nicht auf dem Markt, weil sie gegenüber den enorm wirksamen Placebos keinen Vorteil bieten", so Bingel.

Die Daten aus Frankreich zeigten zudem, wie wichtig Arzneimittelstudien an Kindern seien, sagt der Pädiatrie-Professor Terry Klassen von der University of Alberta. Allerdings müssten solche Studien besonders sorgfältig vorbereitet werden, sonst ließen sich Nutzen und Gefahren von Arzneien für Kinder nicht erkennen. Kinder seien eben nicht einfach kleine Erwachsene.

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