"Special Breakthrough"-Preis:Der Teilchenphysik fehlen die Beweise

"Special Breakthrough"-Preis: Röhre des Teilchenbeschleunigers am CERN: Für viele Theorien in der Physik fehlen experimentelle Nachweise

Röhre des Teilchenbeschleunigers am CERN: Für viele Theorien in der Physik fehlen experimentelle Nachweise

(Foto: AP)

Für die "Supergravitation" gibt es keinen experimentellen Nachweis, dennoch werden drei Theoretiker für deren "Entdeckung" ausgezeichnet. Es ist Zeichen einer tiefen Krise der Physik.

Kommentar von Marlene Weiß

Es ist eine interessante philosophische Frage, ob Mathematik entdeckt oder erfunden wird. Sind die Gesetze der Mathematik unumstößlich im Universum verankert und Mathematiker legen sie nur frei? Oder ist Mathematik ein rein formales Spiel, das im Kopf des Menschen stattfindet? Diese Frage kann man kaum abschließend beantworten.

In der Physik jedoch ist es eigentlich klar: Sie ist eine Naturwissenschaft. Man kann sie nicht erfinden, nur entdecken, indem man Experimente macht und deutet. Wenn die Theoretiker unter den Physikern sich etwas ausdenken, kann das wunderschön, überraschend und sogar richtig sein. Aber bis zur experimentellen Bestätigung bleibt es eine Theorie, die mit der Natur so viel zu tun hat wie ein Roman mit der Realität.

Aber muss man von einer "Entdeckung" schwadronieren?

Dieser fundamentale Unterschied zwischen Theorie und Tatsache wird immer wieder bedenkenlos beiseite gewischt - als sei er nur eine Formalie. Das jüngste Beispiel war in dieser Woche die Verkündung eines mit drei Millionen Dollar dotierten "Special Breakthrough"-Preises: Er soll, so ließ die Jury mitteilen, an die "Entdecker" der Supergravitation gehen, Sergio Ferrara, Daniel Freedman und Peter van Nieuwenhuizen.

Dagegen wäre an sich wenig einzuwenden, es handelt sich um drei sehr renommierte theoretische Physiker. Außerdem kann man den Spendern des Preises, unter ihnen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und der russische Milliardär Juri Milner, schlecht vorschreiben, an wen sie ihre Millionen verteilen sollen. Aber muss man von einer "Entdeckung" schwadronieren?

Die in den 1970er Jahren entwickelte Theorie der Supergravitation scheint auf elegante Weise die Quantenmechanik mit Einsteins Gravitationstheorie zu vereinen. Die beiden Formelwerke sind für sich genommen experimentell gut bestätigt, nur mathematisch passen sie nicht zusammen. Supergravitation (und die verwandte Stringtheorie) soll das lösen. Die Theorie dahinter ist reizvoll. Aber sie hat auch den einen großen Makel: Es gibt trotz intensiver Suche an Teilchenbeschleunigern wie am CERN keinen einzigen experimentellen Hinweis, dass deren Formeln die reale Natur beschreiben.

Insofern sind Preise wie der für die Supergravitation ein Symptom für die tiefe Krise der Teilchenphysik. Neue Daten, die endlich zeigen würden, wie die Welt vollständig zu beschreiben wäre, gibt es nicht. Also klopfen sich Physiker gegenseitig auf die Schulter für Theorien, die mathematisch brillant sein mögen, denen aber jede Bodenhaftung fehlt. Wenn man solche Modelle mit einem hochdotierten Preis auch noch als Physik-Durchbrüche adelt, tritt man sowohl die theoretische als auch die experimentelle Physik mit Füßen.

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