Mörderische Medien:Leichen auf der Leinwand

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Eine große Studie US-amerikanischer Universitäten, finanziert von einer Fernsehgesellschaft, fasste bereits 1998 die Forschung zum Thema Gewalt im Fernsehen zusammen. Der bis heute nicht widerlegte Schluss: Die brutalen Bilder können tatsächlich schädliche Auswirkungen haben - besonders auf Kinder.

Markus C. Schulte v. Drach

Seit über dreißig Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler mit den Auswirkungen von Gewaltdarstellungen in den Medien insbesondere auf Kinder und Jugendliche.

Kultfilm Pulp Fiction: Coole Verbrecher (Foto: Buena Vista International)

Eine zusammenfassende Interpretation aller verfügbaren wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema wurde 1998 als National Television Violence Study veröffentlicht.

An der Studie, die von der US-amerikanischen National Cable Television Association finanziert wurde, hatten Wissenschaftler von den Universitäten von California in Santa Barbara, von North Carolina in Chapel Hill, von Texas in Houston und von Wisconsin in Madison, teilgenommen. Die Untersuchung kam zu folgenden Schlussfolgerungen:

1. Fernseh-Gewalt wirkt sich auf die Zuschauer schädlich aus

2. Es gibt drei Formen schädlicher Effekte

3. Nicht jede Darstellung von Gewalt wirkt sich gleichermaßen aus

4. Die Wirkung hängt auch vom Zuschauer ab

1. Fernseh-Gewalt wirkt sich auf die Zuschauer schädlich aus

Diese Erkenntnis, so betonen die Forscher, wurde von nahezu jeder größeren Organisation oder Behörde gewonnen, die sich mit dem Thema befasste:

Unter anderem die American Psychological Association, die American Medical Association, die National Academy of Sciences, das National Institute of Mental Health, die American Academy of Child and Adolescent Psychiatry und der US-Gesundheitsminister.

2. Es gibt drei Formen schädlicher Effekte

Es können aggressive Einstellungen und Verhaltensweisen gelernt werden.

Es kann eine Desensibilisierung gegenüber Gewalt stattfinden (d.h. eine Unempfindlichkeit gegenüber den Konsequenzen von Gewalt)

Die Angst, selbst ein Opfer von Gewalt zu werden, kann ansteigen.

Die Forschung zeige, so die Wissenschaftler, dass Fernsehgewalt auch mit aggressivem Verhalten von Kindern zusammenhängt, und dass sich dieser Effekt bis ins Erwachsenenleben fortziehen kann.

Darauf weist etwa eine Langzeitstudie von L. Rowell Huesmann und Kollegen von der Universität von Michigan in Ann Arbor, USA. Die Psychologen untersuchten schon in den 60er Jahren den Konsum von Fernsehgewalt durch Achtjährige. 22 Jahre später zeigte sich, dass jene, die viel Gewalt betrachtet hatten, als Erwachsene eher aggressiv und häufiger kriminell waren. Andere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen.

3. Nicht jede Darstellung von Gewalt wirkt sich gleichermaßen aus

Fernsehgewalt ist nicht immer problematisch. Denn es gibt viele Möglichkeiten, Gewalt darzustellen.

Sie kann direkt gezeigt oder nur angedeutet werden. Sie kann in Nahaufnahmen oder Distanzaufnahmen zu sehen sein. Sie kann durch und an verschiedenen Charakteren ausgeübt werden. Und es können unterschiedliche Konsequenzen gezeigt werden.

So sieht man manchmal die Schmerzen und Leiden der Opfer, manchmal jedoch nicht. Alle diese Faktoren können eine Rolle spielen:

So werden gewalttätige Verhaltensweisen und Einstellungen eher von Charakteren "gelernt", die attraktiv sind. Bei Helden und "Guten Jungs", die scheinbar gerechtfertigt Gewalt ausüben, ist dies wahrscheinlicher, als bei Bösewichten.

Ein attraktives Opfer verstärkt eher die Angst, selbst Opfer zu werden.

Motive wie Selbstverteidigung oder der Schutz eines geliebten Menschen scheint Gewalt zu rechtfertigen. Und gerechtfertigte Gewalt erhöht die Chance, dass Gewalt als legitimes Mittel wahrgenommen und gelernt wird.

Alle Effekte, sowohl die Abstumpfung, die Angst oder das Erlernen, können durch ausführliche oder wiederholte Gewaltdarstellung verstärkt werden. Das gleiche gilt für besonders realistische Darstellungen.

Gerade bei Kindern jedoch ist auch Fantasie- oder Cartoon-Gewalt wie sie etwa in der Serie Power Rangers auftritt, alles andere als harmlos. Denn Kinder unter sieben Jahren haben Probleme, die Realität von den fantastischen Darstellungen des Fernsehens zu unterscheiden.

Belohnte Gewalt oder ungestrafte Gewalt erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Tendenzen zur Gewalt verstärkt und aggressive Verhaltensweisen erlernt werden.

Wird dagegen gezeigt, dass Gewalt bestraft wird, so sinkt die Gefahr, dass Aggression gelernt wird. Zuschauer, die beobachten, dass Gewalt ungestraft bleibt, sind darüber hinaus auch ängstlicher und pessimistischer gegenüber den Konsequenzen von realer Gewalt.

Wird aber gezeigt, welche ernsten und schmerzlichen Folgen Gewalt hat, so kann dies den Betrachter davon abhalten, sie zu imitieren.

Eine besondere Rolle spielt ein humorvoller Zusammenhang. So wird Gewalt hier als weniger schlimm interpretiert.

Humor kann sogar wie eine Belohnung für Gewalt betrachtet werden. Deshalb kann Humor in einer brutalen Szene die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Gewalt gelernt wird. Darüber hinaus kann Humor zu geringerer Empfindlichkeit gegenüber den Konsequenzen der Gewalt führen.

4. Die Wirkung hängt auch vom Zuschauer ab

Zwar gelten die bisher dargestellten Zusammenhänge für Kinder wie für Erwachsene. Beim Nachwuchs besteht jedoch Anlass zu besonderer Sorge. Kinder entwickeln erst noch ihre Denkfähigkeiten und sie interpretieren die Bilder im Fernseher anders, als reife Zuschauer. Sie nehmen auch fantastische Darstellungen eher als realistisch wahr.

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