Kampf gegen das Öl:Chemie und riesige Trichter

Sprühflugzeuge im Tiefflug, riesige Trichter, haushohe Ventile für einen riskanten Einsatz - und sogar eine zweite Bohrinsel: Wie Ingenieure im Golf von Mexiko den Ölteppich bekämpfen.

C. Schrader

Im Kampf gegen den Ölfilm im Golf von Mexiko erproben der Ölkonzern BP und die amerikanischen Behörden neue technische Verfahren. Sie schicken Sprühflugzeuge im Tiefflug über das Wasser, schweißen riesige Trichter zusammen, bereiten haushohe Ventile für einen riskanten Einsatz vor und wollen eine zweite Bohrinsel aufbieten, um das Leck im Macondo-Feld zu stopfen.

Kampf gegen Ölpest, Reuters

Ein BP-Arbeiter schweißt an einem Ventil.

(Foto: Foto: Reuters)

Die Probleme dort haben vor knapp zwei Wochen begonnen, als der sogenannte Blowout-Preventer (BOP) unter der brennenden Bohrplattform Deepwater Horizon den Dienst verweigerte. Diese 450 Tonnen schwere, vier Stockwerke hohe Konstruktion aus Stahl sollte im Notfall automatisch etliche Ventile schließen, die das Rohr zur Oberfläche abdichten.

Die Fachleute vor Ort wissen nicht, warum sie versagt haben; der Ölkonzern beharrt darauf, den BOP kurz vor dem Unglück erfolgreich getestet zu haben. Womöglich fehlte aber ein wichtiger Schalter, um die Ventile mit Schallsignalen aus der Ferne zu aktivieren.

Daher überlegen die Experten nach amerikanischen Presseberichten nun, das abgeknickte Rohr, das vom defekten BOP zur Oberfläche führt, abzuschneiden, und einen zweiten BOP auf den defekten ersten zu schrauben. Ganz wohl ist ihnen dabei nicht: Womöglich begrenzen gerade die Knicke im Rohr die austretende Menge. Von dem Hindernis befreit könnte die Quelle am Meeresboden mit höherem Druck sprudeln und die Montage der zweiten Ventil-Konstruktion verhindern.

Darum bereiten die Nothelfer mehrere andere Optionen vor. Sie sind dabei, Stahlkästen zusammenzuschweißen, die sie über die Lecks stülpen können. Das Öl würde sich darin sammeln und könnte durch Rohre abgepumpt werden; der erste dieser Trichter soll in fünf Tagen fertig sein. Derweil bereitet BP den Einsatz einer zweiten Bohrinsel vor. Sie soll ihren Drill aus einiger Entfernung schräg durch den Meeresboden treiben, um das Bohrloch der lecken Quelle zu treffen und mit Schlamm zu füllen.

Wie schwierig das ist, zeigen Erfahrungen aus der Timorsee vor Australien. Dort hatte am 21. August 2009 war nach einem Brand aus einer Quelle unkontrolliert Öl ausgetreten. Sechs Wochen später startete die Entlastungsbohrung, verfehlte aber viermal ihr Ziel. Erst im fünften Anlauf gelang die Operation. Sollte es im Golf von Mexiko ähnlich lang dauern, könnte mehr Rohöl ins Meer gelangen als zusammen bei den Havarien der Exxon Valdez im Jahr 1989 in Alaska und 1999 bei der Erika in der Biskaya.

Um Schäden in den Küstenregionen zu vermeiden, versprüht BP inzwischen hunderttausende Liter einer neuartigen Chemikalie über dem Ölteppich. Die Substanz ähnelt einem Waschmittel und soll das Öl schon unter Wasser binden, damit es sich nicht zu Klumpen oder Filmen verdichtet, sondern in die Tiefe sinkt. Allerdings wissen die Experten auch nur wenig darüber, welche Wirkungen das gebundene Öl auf den Lebensraum Ozean hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: